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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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brachte ihn mit einigen Absolventen und Dozenten zusammen und am allerwichtigsten: leitete ihn an, als die Saison der »Cocktails« begann, schon im ersten Herbst des Studiums.
    Die Cocktailtreffen: Dutzende Finanzgesellschaften jagten Talente aus den Reihen der führenden Businessschulen. Bereits in den ersten Wochen des ersten Jahres veranstalteten die Firmen Cocktailpartys auf dem Schulareal oder manchmal in Bars in allen Teilen der Stadt; es konnte bis zu drei verschiedenen »Cocktails« pro Abend kommen. Sie luden die Studenten ein, sich Demos über die Firma anzuschauen, Alkohol zu trinken und zu versuchen, die jeweiligen Repräsentanten zu überzeugen, dass sie die passenden Kandidaten waren. Nach diesen Cocktailempfängen verschickten die Studenten schmeichelhafte Mails an die Firmenvertreter, denen Treffen zur Vertiefung des persönlichen Eindrucks folgten, wonach die Kandidaten Einladungen zu Bewerbungsgesprächen erhielten. Am Ende der Prozedur kam ein Angebot für ein Sommerpraktikum in den Ferien zwischen dem ersten und dem zweiten Studienjahr, und dieses wiederum führte meist zu einem offiziellen Angebot, nach Abschluss des Studiums dort eine Beschäftigung aufzunehmen.
    Roni mochte es nicht, doch Idan zwang ihn, das Spiel mitzumachen, und trainierte ihn im Hinblick auf die Begegnungen mit den Firmen und die Bewerbungsgespräche. Bei den ersten Cocktails blamierte er sich. Beim Smalltalk über Sport ging es um Baseball, und er kannte weder die Begriffe noch die Namen der Spieler. Er versuchte, in Richtung Basketball zu steuern, aber auch da kam er nicht viel weiter. Er erwähnte Nadav »The Dove« Henefeld und den »Iceman« Doron Sheffer, wobei Roni sich sicher war, dass sie bekannte Namen in Amerika waren. Kein Mensch verstand, wovon er redete.
    Roni bemühte sich, seine Gesprächsqualifikationen zu verbessern, und parallel dazu drängte er Idan Levinhof, ihm ein persönliches Vorstellungsgespräch bei Goldman Sachs zu verschaffen. Idan versprach, daran zu arbeiten, doch die Chance kam aus einer unverhofften Richtung. Eines Tages erhielt er eine Mail von Dalit Nahari. Dalit war eine Schulkameradin Gabis, vier Jahre jünger als Roni, und die Freundin von Anna, Gabis Partnerin, und diese hatte ihr erzählt, dass Roni in New York war. Dalit lebte seit vielen Jahren in der Nähe von New York, seit der großen Reise nach dem Militärdienst mit Anna. Sie lud Roni zum Abendessen ein. Anna schrieb ihm in einer Mail, dass Dalit verheiratet sei und drei Kinder habe, also wich Roni aus. Er sah keinen Grund, bis nach Planesboro, New Jersey, zu fahren, um Dalit und ihrer Familie einen wertvollen Abend auf Kosten seiner Studien zu widmen. Doch sie beharrte so lange darauf, bis er einwilligte. Er hatte sie als kleine, hübsche Jemenitin in Erinnerung, und in einem momentanen Anfall von Einsamkeit stellte er sich vor, sie sei gelangweilt, ihr Mann sei auf Geschäftsreise oder irgendwas, und sie suche ein unverbindliches Abenteuer.
    Die Tür öffnete ihr Mann, ein rundgesichtiger Inder, dickbäuchig und pausbackig, mit pechschwarzem, auf der Seite gescheiteltem Haar. Die Phantasie fiel in sich zusammen und brach noch mehr ein, als hinter seinem breiten Rücken Dalit auftauchte – klein und hübsch war sie wirklich nicht mehr. Schon als er die riesige Wohnung betrat, begann er, sich Vorwände zur Flucht auszudenken. Er wäre nie auf die Idee gekommen, dass er die Wohnung nach zwei Uhr morgens verlassen würde, im Besitz des nützlichsten Stücks einer Netzwerkverbindung, die er hatte erhalten können.
    Gughar Rawandip, Dalits Mann, war ein Punjabi. Er war auch Muslim. Und ebenso ein hohes Tier bei einem Hedgefonds, der einer kleinen Investmentbank gehörte, Goldstein-Lieberman-Weiss Investments. Dschudsch, wie seine Frau ihn liebevoll nannte, bewunderte Kibbuzniks, besonders die aus dem Galil, und innerhalb kurzer Zeit wurde er zum Bewunderer des Kibbuzniks aus dem Galil, den Dalit als talentierten Basketballspieler und mutigen Soldaten in Erinnerung hatte und der vor amüsanten Geschichten über die Kindheit im Kibbuz und das Tel Aviver Nachtleben überquoll. Am Ende des Abends versprach Gughar, die Möglichkeiten in seiner Investmentbank auszuloten, und am nächsten Tag erhielt Roni die Mail mit einer Einladung zum Rekrutierungscocktail von Goldstein-Lieberman-Weiss Investments.
    Einer der Talentjäger der Bank auf dem Cocktailempfang war Alon Pilpeli, ein grünäugiger Israeli mit Hakennase. Während er ein

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