Auf fremdem Land - Roman
mir dampfend aus den Nasenlöchern, mein Kind will auf diese Leiter steigen, also stelle ich mich neben die Leiter und blockiere diesen ärgerlichen Jungen mit dem Körper, einmal, zweimal und beim dritten Mal, als der Junge versucht, sich mit seinem kleinen Körper mit Gewalt vorbeizudrängen und wieder nach Peter greift, verpasse ich ihm einen kleinen Tritt mit der Schuhspitze an die Kniescheibe, während ich sein Ohr einzwicke und es fest umdrehe, höre den verblüfften Schmerzensschrei, beiße die Zähne zusammen als Reaktion auf den wütend entsetzten Blick, begleitet von einem an- und abschwellenden Gejaule, zische ihm zu: »Nimm dich in Acht vor mir«, und schaue mich diskret um, um mich zu vergewissern, dass niemand zusieht.
Als Gabi und Miki von der Runde auf der Rutsche zu der Bank zurückkamen, auf der Anna saß und telefonierte, hob sie den Blick und fragte: »Was war dort los?«
Gabi murmelte nur: »Gar nichts«, doch er war überrascht von dem Kurzschluss in seinem Hirn.
Mit der Zeit hörte Gabi fast auf damit, Miki sein Alter aufzusagen. Die Beziehungen zwischen Vater und Sohn kühlten sich ab. Anna fügte noch eine Nacht in Afula hinzu, und nun schlief sie zwei Nächte in der Woche dort, sagte, es gebe viel Stress in der Arbeit, erzählte ihm jedoch fast nichts darüber. An den Wochenenden hatte er das Gefühl, sie warte nur darauf, dass die Zeit verginge, es Sonntag würde und sie in ihr Afula zurückfahren könnte, zu ihrem Sami oder wem auch immer. Es gab dort jemanden, davon war er überzeugt. Er blieb immer noch stur dabei, nicht zu spionieren, nicht nachzuschauen, nicht zu fragen. Er wusste es einfach. Und Miki entdeckte vielleicht die Schwäche in seinem Vater und schlug seine Zähne hinein – wollte sich nicht anziehen, wollte nicht in den Kindergarten gehen, wollte nicht essen, nicht Händewaschen nach dem Pipi. Gabis Geduld bröckelte, seine Frustration hingegen wuchs: Er konnte sich nicht mehr damit brüsten, wie viel qualitätvolle Zeit er mit dem Jungen verbrachte, denn die Zeit mit ihm hatte keine Qualität mehr. Er konnte den kompletten Verzicht auf sein Vorwärtskommen, was auch immer das gewesen sein mochte – Karriere, Studium, Selbstverwirklichung –, mit keiner Ausrede mehr rechtfertigen. Er war an den kleinen Scheißer gefesselt, lebte für ihn, während es ihr gelungen war, sich ein eigenes Leben zu schaffen. Als Miki begann, sich in seiner raffinierten Klugheit gegen Gabis Überredungsversuche mit Schweigen zur Wehr zu setzen und auch mit seiner erstarkenden Körperkraft, zahlte es ihm Gabi mit gleicher Münze heim: ein Stoß für einen Stoß, auf einen Tritt erfolgte ein Gegentritt. Die Logik dabei war: So würde Miki lernen, dass Gewalt kein effektives Mittel war, um ein Ziel zu erreichen, und auch, dass sein Vater sich von ihm nicht um den kleinen Finger wickeln ließ. Gabi wurde in einen gefährlichen Kreislauf hineingerissen.
Die Leiter
Manchmal sah Roni die Umzugslastwagen von Moishe’s in Manhattan herumfahren, er sah die israelischen Verkäufer in den Schuhgeschäften, seine Basketballkameraden der Sonntagsspiele, und insgeheim schnurrte er regelrecht vor Selbstzufriedenheit. Er blickte auf diese ganzen Israelis herab, die kamen, um Amerika durch die Hintertür zu betreten, um langsam von der niedrigsten Stufe der Leiter höher zu kriechen, und er verspürte Stolz. Er war durch die Vordertür hineinmarschiert. Er startete geradewegs zur Spitze durch. Und nicht einmal das Geld hatte er aus eigener Tasche aufbringen müssen – die Bank finanzierte ihn, und die Bank würde das Geld von ihm zurückkriegen. Hatte Idan Levinhof fünf Jahre gesagt? Also beschloss Roni, es innerhalb von maximal vier Jahren zu schaffen.
Im zweiten Jahr erlaubte er sich, das Tempo zu drosseln: Das Sommerpraktikum in der Bank von Goldstein-Lieberman-Weiss war erfolgreich gewesen, so weit es möglich war, Monate als »erfolgreich« zu betiteln, in denen er Besprechungsprotokolle geschrieben, Exceltabellen und Powerpoint-Präsentationen für Analysten und Manager erstellt hatte, Anzüge aus der chemischen Reinigung abgeholt und mit seinem außergewöhnlichen Talent, defekte Drucker zu reparieren, Eindruck geschunden hatte. Wie auch immer, seine Gewährsleute innerhalb der Gesellschaft, Alon Pilpeli und Gughar Rawandip, in die er nicht wenig Kontaktpflege investierte, versprachen ihm, dass ein offizielles Arbeitsangebot für den kommenden August so bald wie möglich auf seinem Tisch landen
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