Auf fremdem Land - Roman
nicht mehr als alleinstehender Junggeselle betrachtet worden, den man einladen musste, und um ehrlich zu sein, es war ihm lieber so. Scha’ulit entschuldigte sich, dass der Fisch zu lange im Ofen gewesen sei, doch Gabi sagte, der Fisch sei ganz wunderbar, und lobte Amalia für den Salat, den sie geschnipselt hatte.
Alles dank eines haarigen Insekts und einer kleinen Engelsstimme. Nach dem Essen gab es Kuchen und nach dem Kuchen Kaffee. Die Töchter verschwanden, um in ihrem Zimmer zu spielen, und die Unterhaltung plätscherte dahin, und als Zebuli gestillt werden wollte, drehte Gavriel ihnen den Rücken zu und konzentrierte sich auf Der Meister und Margarita , Gaza Blues von Etgar Keret und Die chinesische Küche – koscher; immer glichen sich die Bücherregale in ihrer religiösen Literatur und unterschieden sich in der profanen.
Scha’ulit legte Zebuli in die Wiege und fragte: »Möchtest du draußen sitzen?« Sie kehrten zur Hofschaukel zurück. Sie hatte das nicht geplant; der Abend, wie ihr Leben in letzter Zeit, entrollte sich von einem Ereignis zum nächsten, vom Löschen eines Brands bis zur Lösung eines Problems, ein unendliches, selbsttätiges Geschehen. Später jedoch, bevor sie einschlief, dachte sie, dass die Entscheidung, ihr Haar aus seinem Käfig zu befreien, bei ihr mehr als nur ihr Haar befreit hatte.
Gabi und Scha’ulit sprachen vorsichtig miteinander. Nie wechselten sie mehr als ein oder zwei Sätze. Sie lobte ihn für die Synagoge. »Endlich tropft es nicht mehr in die Frauenabteilung hinein«, lächelte sie. »Und der Kindergarten. Alle Achtung. Du bist sicher sehr stolz.«
»Das war nicht ich«, erwiderte er. »Herzl Weizmann und seine Arbeiter haben die meiste Arbeit gemacht. Er hat die Komplimente verdient, und der, der ihm die Aufgaben übertragen und sie finanziert hat, der Gemeinderat, das Komitee oder ich weiß nicht …«
»Was du nicht sagst. Diesen Ort mit deinen eigenen Händen zu bauen ist sicher ein besonderer Stolz.« Bei diesen Worten dachten beide sofort an sein Zimmer, und Scha’ulit legte zwei Finger auf seine Hand, nahm sie wieder weg und flüsterte: »Oi, tut mir leid.«
»Das braucht dir nicht leidzutun«, sagte er zu ihr, erregt von der Geste.
»Der Herr erbarme sich …«
Ein Augenblick der Stille zum Gedenken an das Zimmer. Sie erwogen, eine politische Diskussion anzufangen: Murren über die Armee, die Regierung, die Lage, die fortwährende Benachteiligung der Siedler. Doch es schien, dass die Stille genügte, und sie ließen es fallen.
»Weißt du«, sagte Scha’ulit, »du musst den Schabbatabend nicht allein verbringen. Du kannst hierherkommen, wann immer du willst.«
»Danke, du bist eine Zaddika, Scha’ulit«, antwortete er und hob scheu die Augen zu einer rötlichen Locke, die ihr in die Stirn fiel, zwei Minuten dort blieb und dann hinters Ohr gestrichen wurde, mit einem dünnen Finger, an dem noch der Ring steckte, gepflegt von Neta Hirschsons Maniküre. »Normalerweise bin ich nicht allein. Mein Bruder ist hier.« Eine Last beschwerte seine Stimme. »Er ist einfach nur heute weggefahren. Oder gestern …«
Gestern. Moran wich von der Strecke zu seinem Moschav in der Scharongegend ab und fuhr ihn in die Stadt hinein. Roni stieg an einer belebten Ecke aus und schaute sich verwundert um, überließ sich seinen schwindelerregenden Empfindungen: die Aufregung, die Merkwürdigkeit, die Größe und der Lärm, Allmächtiger, die befreiten Brüste! Hüpften vor seinen Augen, bettelten um Aufmerksamkeit, stachen unter Woll- und Baumwollgeweben hervor. Er ging in Richtung Meer, halb abwesend in Gedanken.
Das Schrillen einer Fahrradklingel weckte ihn aus der Träumerei, und ein Schrei folgte: »Du Wichser, schau doch, wo du hinrennst, du Hirnie!«
»Halt’s Maul!«, reagierte Roni instinktiv mit ausgefahrenen Krallen, doch der Radfahrer hatte sich schon von ihm entfernt, sein rotes Rücklicht blinkerte, zunehmend kleiner, neurotisch.
» O my god , diese Radfahrer sind lebensgefährlich, alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte eine weibliche Stimme, und Roni vollführte eine halbe Drehung und sah einen Engel. Okay, ein bisschen füllig, aber das Haar war so braun, glatt und glänzend, die Lippen waren so voll. Na gut, die Nase war eine Spur groß, doch die Augen, ein schmelzender Blick, ein heller Braunton, in dem er Traurigkeit, Hoffnung und Flirtbereitschaft zu entdecken meinte. Er stellte sie sich auf allen vieren vor, ihr Hinterteil in Erwartung in die
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