Auf fremdem Land - Roman
nach Tel Aviv, während sein Körper vor Erwartung fieberte, als, wie um es auf den Punkt zu bringen, die Gedanken über Sex aus der Dunkelheit des Kellers, in dem sie die ganze Zeit über eingekerkert gewesen waren, hervorbrachen, da erkannte er: Dieses Leben war nichts für ihn.
May erzählte ihrem Vater von ihrer Lehrerin, und dann spielte sie auf dem Klavier ein Lied, das Roni mit Mühe identifizierte. Danach übernahm Morans Frau das Telefon und berichtete, dass May von der Klavierlehrerin sehr gelobt worden sei. Moran sagte, er würde bald da sein, und pustete Küsse in die Luft des Wagens. Dann trennte er die Verbindung und sagte zu Roni: »Nu, was ist mit dieser Tochter von Otni, ist da gar nichts? Sie schaut mir aus wie eine, die unter diesen langen Jeansröcken explodiert. Sie schaut mir nach Feuer aus, echt Feuer!«
Die Kindergärtnerin
Gavriel Nechuschtan kleidete sich in feierliches Weiß, hüllte sich in den Gebetsschal, schloss die Augen, schaukelte vor dem Fenster hin und her, das auf die Rinne von Nachal Chermesch hinausschaute. Die Schabbatnächte waren immer gut, doch diese besonders, die Synagoge schöner denn je, einladend – mit den rustikalen Holzbalken und dem Dach, das gegen den dünnen Regen abgedichtet war, der unablässig fiel. Die Liebe, die Unterstützung und die Hilfsangebote, die er von allen erhalten hatte, bewegten ihn. Natürlich hatte er auch von allen Seiten viel Lob für die Renovierung der Synagoge bekommen, und obgleich er versucht hatte, es auf Herzl Weizmann zu lenken, war er der Held des Tages, und es wurde ihm ein Ehrenplatz bei der Thoralesung am nächsten Tag bestimmt.
Es gab Schabbats, an denen sich das Empfinden der Heiligkeit vertiefte, und dies war einer davon: ein neues Buch, der Wochenabschnitt schemot , Exodus, der brennende Dornbusch. Die Atmosphäre in der Siedlung war angespannt, das Trauma des zerstörten Zimmers hing in der nassen Luft, und während des Gebets standen den Leuten Tränen in den Augen. Gäste trafen ein aus den beiden anderen Ma’aleh Chermesch und von weiter weg, um Sympathie und Unterstützung auszudrücken, die Synagoge war voll und warm. Widersprüchliche Gefühle von tiefem Schmerz, gemischt mit Erhabenheit, durchwogten Gabis weiches Herz, er wiegte sich heftig hin und her, klatschte in die Hände, die Augen geschlossen, ein Leuchten auf seinem Gesicht, gelobt und gerühmt, verherrlicht und erhoben sei der Name des Heiligen, er ist der Erste, und er ist der Letzte … Und mit einem Mal wurde ihm auch klar, was diesen Schabbat noch auszeichnete: Es war ein Schabbat ohne Roni. Ohne seine säuerliche, mürrische Anwesenheit. Es kostete ihn eine Weile, sich einzugestehen, dass es eine große Erleichterung war, dass sein Gebet freier und tiefer war.
Mitten im Gebet verließ er die Synagoge, ging die paar Dutzend Meter zum Rande des Felsen und setzte sich auf den nassen Steinzahn. Dünner Regen fiel sanft auf seinen Nacken, durchfeuchtete seinen Bart, die Tränen rollten ihm aus den Augen. Du bist der einzig Wahre, Herr, du bist der Gerechte, du hast mich kleinen Menschen genommen und mich vor diese riesige Wüste gestellt und mir den Weg gezeigt, wie bist du gütig zu mir. Und wenn du mir mein Haus genommen hast, so wie du mir meinen Sohn genommen hast, hattest du einen guten Grund. Er stand auf, um im Stehen zu beten. Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr, du lässt den Wind wehen und den Regen fallen, du bist heilig und dein Name ist heilig. Gabi sprach den Segen und »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln«, und danach kehrte er in die Synagoge zum Ausklang von Lob und Preis zurück.
Nach dem Gebet, nach Schulterklopfen, Handküssen und Schabbatgrüßen ging er allein den Pfad entlang. Gestern, nachdem er ohne Obdach zurückgeblieben war, hatten ihn mehr oder weniger alle eingeladen, bei ihnen zu übernachten, und er hatte die Nacht im Wohnwagen von Josh und Jehu verbracht. Jetzt fiel ihm ein, dass Roni nicht in seinem Wohnwagen war, und er überlegte für einen Augenblick, dort zu schlafen, und noch während er seine Schritte erwog und den Kopf zum Himmel hob, aus dem es wieder zu tröpfeln begann, hörte er ein Schniefen. Er hielt auf der Stelle inne und spitzte die Ohren. Die weiche, schwarze Nachtluft hüllte ihn ein. Noch ein Schniefen. Und ein klitzekleines Glucksen. Und dann: »Friede mit euch, Engel des Dienstes, Engel des Höchsten …«
Er zog die Brauen zusammen. Es war nicht überraschend, das war die übliche
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