Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
Vom Netzwerk:
in Zweifel zu ziehen.
    Natürlich hörte sich vieles von dem, was Moran ihm erzählte, zu fremd für ihn an, eine Welt jenseits des großen Abgrunds, in der er sich wahrscheinlich nicht nur kaum zurechtfinden würde, sondern in der ihm auch viele der Lebensweisen phantastisch und sonderbar vorkamen. Alles in allem liebte er sein Leben, seine Familie, die Synagoge und die Gebete. Doch er liebte es genauso, Fragen zu stellen. Eines Abends loggte sich Jakir in das Forum der »Neo-Zweifler« ein, und als er seinen Kopf hob, war es zwei Uhr morgens und sein Gehirn gärte. Als Folge davon begann er, mit sich selbst ein Spiel zu spielen, bei dem er hier und dort ein paar kleine, unbedeutende Profanierungen des Schabbats beging: in ein Heft schreiben, den Ofen für zwei Minuten einschalten, einem Lied in den Kopfhörern lauschen … Gittit kam weiterhin durchdrungen von noch stärkerem Glauben, von noch mehr Sicherheit aus ihrem »Biederen Weib« zurück. Manchmal, wenn ihn die Zweifel quälten, beneidete er sie. Dachte, dass vielleicht auch er eine Erziehung erhalten sollte, die sich um die Zweifel kümmerte.
    Jakir las in der Homepage der Behörde für Altertümer eine offizielle Mitteilung über zwei wertvolle Münzen aus der Epoche des Bar-Kochba-Aufstands, die in einer Höhle im Nachal Chermesch entdeckt worden waren. Er berichtete es seinem Vater, und Otniel rief umgehend Dovid an. »Ja, stimmt«, bestätigte der Experte für Antiquitäten, »das sind deine Münzen. Diese beiden letzten.«
    »Nu«, sagte Otniel aufgeregt, »also kann man sie verkaufen?«
    »Was verkaufen?«
    »Die Münzen natürlich!«
    »Wo sind sie, bei dir?«
    »Nein, der eine von den Altertümern hat gesagt, dass sie ihre eigenen Untersuchungen machen wollen, aber dieser Information entnehme ich, dass sie sie gemacht haben. Dann kriege ich jetzt die Münzen?«
    Otniel hörte ein gedehntes Kichern am anderen Ende der Leitung. »Ja, ich glaube, dass du die Münzen kriegst. Lass mich probieren, mit jemandem dort zu reden.«
    Otniel schloss mühsam beherrscht die Augen. Er war inzwischen schon auf alle wütend – auf die Altertumsbehörde, auf Dovid, auf sich selber, weil er sich überhaupt an ihn gewandt hatte. »Also, wann krieg ich sie zurück?«
    »Woher soll ich das wissen? Warte. Bis jetzt hast du ja auch gewartet, oder?«
    Otniel öffnete die Augen und blickte Jakir an. Er sprach in ruhigem Ton in das Gerät, doch darunter knisterte deutlich die Spannung. »Ich versteh nicht, wie du zulassen konntest, dass die Dummköpfe von unseren Münzen erfahren. Zuerst behältst du sie monatelang. Jetzt haben sie sie mitgenommen und erzählen uns das, was wir schon gewusst haben.«
    »Ich habe es nicht zugelassen, ich hab’s dir doch gesagt, es war ein Versehen …«
    Otniel beendete das Gespräch, holte aus der Schublade die Visitenkarte des Herrn im Anzug und wählte die Nummer. Keine Antwort. Er probierte es wieder, erreichte eine Sekretärin. Sie stellte ihn zu einer anderen Sekretärin durch, die nicht wusste, wovon er sprach, und ihn wieder mit einer anderen verband, die zwar wusste, wovon er sprach, jedoch sagte, dass der betreffende Herr jetzt nicht im Büro sei und niemand anderer ihm helfen könne.
    »Versuchen Sie es morgen«, schlug sie vor, »oder noch besser, nächste Woche.«
    Otniel legte auf und ließ seinen Blick lange auf seinem Sohn ruhen. Schließlich stand er auf und sagte: »Komm, mein Sohn, wir fahren nach Jerusalem.«
    Im windgeschüttelten Jerusalem suchten sie das Büro der Altertumsbehörde in der Sokolovstraße, die von der Keren Hajesod abging, denn Otniel erinnerte sich an das Gebäude aus seiner Jugendzeit. Sie wanderten von Haus zu Haus – keine Spur mehr davon.
    »Papa, warum hast du mir nicht gesagt, dass du nicht weißt, wo es ist, ich hätte es in einer Sekunde im Internet gefunden.«
    »Aber ich weiß doch, wo es ist. Es ist hier. Irgendwo.«
    Sie forschten in der Parallelstraße, der Mendele-Mocher-Sfarim, nach, kehrten zur Sokolov zurück und fragten Passanten. Schließlich fand sich einer aus der Nachbarschaft, der sagte, dass die staatliche Gesellschaft für Münzen und Medaillen früher einmal hier ansässig gewesen sei, aber vor vielen Jahren.
    »Siehst du?«, sagte Otniel.
    »Was genau soll ich sehen?«, gab Jakir zurück.
    Der alte Nachbar wusste die neue Adresse nicht, weder von der Münz- und Medaillengesellschaft noch von der Behörde für Altertümer. Nach ein paar Anrufen fuhren sie zum Areal von

Weitere Kostenlose Bücher