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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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seine Beine trugen ihn fast spielerisch – er genoss es sogar. Doch dann begann sich ein schwarzer Schatten in die Gedanken einzuschleichen, in die Tiefen seines Gehirns. Denn letzten Endes ist es aussichtslos. Du hast keine Chance, den Angriff zurückzuschlagen. Wenn du in der Nacht stundenlang marschierst und konzentriert wach bleiben musst – dann lädst du sie praktisch ein, die Gedanken, du brauchst sie, um den Rhythmus anzugeben, um das Gewicht und den Juckreiz vergessen zu können, der in den großen Zehen und den Fußsohlen beginnt, du rufst nach ihnen, denn du hast Zeit, sie zu entwickeln, sie in deinem brummenden Kopf zu ordnen. Und da waren sie wieder, die Fehler, die Roni gemacht hatte, die Jahre, die er sich von allen ferngehalten hatte, Jifat, die Nutte, die Tränen. Er hatte versprochen, sich zusammenzureißen, als Erster anzukommen, doch es fraß sich in seinen Kopf, es war schwer, sich zu konzentrieren. Roni blieb stehen, trank Wasser. Er musste sich konzentrieren. Er hatte sich auf diese Woche vorbereitet. Er wusste, dass er es konnte, und sein Vorgesetzter wusste, dass er konnte. Gabi würde zurückkommen. Er war nicht verantwortlich dafür. Es gab jemanden, der sich darum kümmerte, der nach ihm suchte. Vater Jossi beherrschte die Sache. Und Roni wollte ein Teil dieser Einheit bleiben. Er zog eine zerknautschte Noblesse aus der Tasche. Es war verboten, bei dem Orientierungsmarsch zu rauchen, doch wie sollte er den Kopf klar kriegen? Er setzte sich hin und lehnte sich gegen die Ausrüstung, zog Streichhölzer aus der Tasche und zündete sie an. Nur eine, dann würde er weitergehen. Die Navigationskoordinaten tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Alles in Ordnung. Er hatte die Richtung. Die Sterne halfen ihm, der Kompass erledigte das für ihn. Er würde als Erster ankommen, wie nichts, und es dem Generalstabschef zeigen.
    Er marschierte weiter. Das Gewicht auf seinem Rücken wurde immer schwerer. Die Navigationsachse, die auf Stirn und Hintern eingraviert war, begann sich zu vernebeln. Er hielt an, um einen Happen zu essen. Etwas zu trinken. Zu rauchen. Zu kacken. Er würde es schaffen. Das Gewicht wurde immer größer, obwohl er es um Wasser, Essen, Zigaretten vermindert hatte. Er hatte schon länger keinen Kameraden mehr gesehen, nicht dass es unbedingt sein musste, aber normalerweise stieß man aufeinander, querte Wege, schloss sich für eine Weile zusammen, um ein bisschen zu reden und die Langeweile zu vertreiben, und dann trennte man sich wieder. Aber heute Nacht, kein Einziger. Da waren die Sterne, der Kompass. Er sah Lichter. Was war das? Der Kibbuz? Er ertrank in Schweiß, er würde die Last vom Rücken nehmen, nur für einen Augenblick. Er ruhte sich aus. Er trank. Er wollte rauchen, aber die Zigaretten waren aus. Vielleicht sollte er zu den Lichtern gehen, bloß um eine Zigarette bitten? Es war so heiß. Die Atemzüge wurden schwer. Wenn die Nacht vorbei wäre, würde es noch viel heißer werden. Er ertappte sich dabei, dass er zitterte und murmelte, am Zaun irgendeiner Ansiedlung, nach Gabi rief, und dann dachte, er würde ihn sehen, wo war er denn? Da war der Kibbuz, er war im Kibbuz, da waren die Rasenflächen, die Gartenanlagen, die Vater Jossi und seine Gärtnereitruppe so wunderschön kultiviert hatten, da waren das Schwimmbad und das Esszimmer, die Betonpfade. Es zog ihn zu den Lichtern hin, hier war Gabi. Gabi? Gabi sah ihn mit einem merkwürdigen Blick an. Gabi? Hast du eine Zigarette? Er antwortete nicht, schaute nur, was will er, warum sieht er so aus, wer ist das überhaupt?
    Es war nicht Gabi. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Gabi zwar auch im Süden in der Wüste, jedoch Hunderte Kilometer weit entfernt von Ronis militärischen Navigationsachsen. Er war im Sinai, in Ras-Burka, rollte sich von den Sandhügeln ins blaue Wasser, wo er nach einer überraschenden, berauschenden Anhalterreise gelandet war, die ihn von Ofra nach Be’er Tovia, von Be’er Tovia nach Eilat und von Eilat nach Ras-Burka gebracht hatte. Die sechshundert Schekel der Familie Gam-zo-letova würden ihn bequem einige Wochen lang versorgen, rechnete er sich aus, ganz bestimmt in Ras-Burka, was brauchte man da schon. Er freundete sich mit einer Gruppe Haifaer an, die für alle Essen, Wasser, Eis, Zigaretten und Bier einkauften, gemeinsam kochten und das Essen teilten. Er zahlte seinen Anteil und beteiligte sich am Kochen, Geschirrspülen und den Fahrten, um Eis zu holen. Sie gaben ihm sogar eine Decke,

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