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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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kannte, aber sogar hübsch fand, in Kinnlänge. Mit ihrem Kibbuzgang, mit den Zehenriemenschlappen und der schlampigen Jeans, dem blaugrauen Trägerhemdchen, auf dem das Wäscheetikett des Kibbuz von weitem sichtbar war. Klar, das war Anna, und er musste sofort von hier verschwinden. Wieder fliehen, sich verstecken. Er konnte nicht darauf vertrauen, dass sie nicht in den Norden zurückkehren und erzählen würde, wo er war, und er konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass jemand, der ihn kannte, wusste, wo er war.
    Mit seinen inzwischen längeren Haaren würde er es schwer haben, als Soldat zu überzeugen, und er war zu jung, um für einen Reservedienstler durchzugehen, doch er zog die Uniform wieder an, und sie half ihm immer noch beim Trampen, in Minutenschnelle, nachdem er es geschafft hatte, sich mit der Tasche zur Straße davonzumachen, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden, mit einer gemurmelten, unverständlichen Erklärung für die verdatterte Nili. In dem Moment, in dem er in das Auto einstieg, tat es ihm schon nicht mehr leid. Ras-Burka war ein weiteres Kapitel, das hinter ihm lag. Es war besser, nicht zu bleiben, sich nicht zu binden. Man musste weiter.
    »Wohin?«, fragte der Fahrer.
    »Wohin Sie fahren«, antwortete Gabi.
    »Ich fahre nach Paran«, erwiderte der Fahrer.
    »Großartig, das liegt genau auf dem Weg«, sagte Gabi, ohne einen blassen Schimmer zu haben.
    »Ich fahre nach Dimona«, antwortete der nächste Fahrer. »Wunderbar«, sagte Gabi.
    »Ich? Nach Be’er Scheva.« »Ofakim.« »Beit Guvrin.« »Prima.«
    Und, natürlich, die Begleitfragen: »Erlaubt man euch in der Brigade, sich die Haare so wachsen zu lassen? Was ist, warst du auf Urlaub? Pass bloß auf, dass dich die Militärpolizei nicht erwischt, es gibt eine Menge davon bei der Qastina-Kreuzung. Wie, gibt’s da eine Basis von den Golanis?« Gabi schwieg.
    Am Guvrin-Straßenkreuz stieg er aus, und gleichzeitig senkte sich die Dunkelheit herab. Der Fahrer, der offenbar sein Zögern erfasste, fragte: »Wo musst du hin, bist du sicher, dass das hier gut für dich ist?«
    »Klar, sicher, danke«, antwortete Gabi, ohne ihn direkt anzuschauen.
    »Das ist ein ziemliches Loch hier«, fuhr der Fahrer fort, »hier ist gar nichts. Wer weiß, wann hier wieder ein Auto vorbeikommt. Wo musst du denn hin? Es macht mir nichts aus, einen kleinen Umweg zu fahren.«
    »Ist schon gut so, danke«, sagte Gabi. Der Fahrer gab auf und fuhr in seine Siedlung, der Auspufflärm verebbte zunehmend, bis nur die Stille zurückblieb. Gabi hatte noch gar nicht lange gewartet, als ein Lieferwagen, ein Peugeot 404, sich aus der entgegengesetzten Richtung näherte. Einen Moment, bevor der Wagen kam, sann Gabi Kupfer über das Erdbeben an diesem Morgen nach, wie er gespürt hatte, wie sich der Sand bewegte, die Ohnmacht vor der unendlichen Kraft der Natur. Und was, wenn irgendeine unterirdische Platte beschlossen hätte, sich etwas kräftiger zu bewegen? Er wäre wie nichts im Sand begraben worden. Ohne es zu merken, reckte er den Daumen den zwei weißen, runden Scheinwerfern entgegen, die auf ihn zuratterten.
    Inzwischen hatte Gabi beim Trampen Erfahrung gesammelt, und so erkannte er, als er sich hineinsetzte, der Fahrer die Bremse löste und aufs Gas drückte, sofort die Unterschiede. Sie standen in der Luft des Fahrzeugs wie Zement im Eimer, schwer, grau und sich zunehmend verhärtend. Viele Male war er eingestiegen und hatte kein Wort mit dem Fahrer gewechselt, nicht einmal »Wo musst du hin« und »Wo du eben hinfährst«, denn es gab die stillschweigende Übereinkunft, dass der Anhalter und der Fahrer, wenn er den Daumen hob und ein Wagen anhielt, um ihn mitzunehmen, aller Wahrscheinlichkeit nach eine gewisse Strecke zusammen zurücklegen würden und das ein Geben und Nehmen war. Doch diesmal war das Schweigen anders, spannungsgeladen und zornknisternd. Sofort versteifte er sich, fühlte sich wie eine Katze bereit, auf den ersten Angriff zu reagieren. In dem Auto befanden sich drei Männer. Der Fahrer, der Beifahrer und einer hinten, neben Gabi.
    »Wohin fahrt ihr?«, fragte er schließlich.
    »Hier, ganz nah«, antwortete der auf dem Beifahrersitz mit arabischem Akzent.
    »Wisst ihr, was«, sagte Gabi mit fester Stimme, aber einem Zittern im Hals, »ich steige hier aus, ich hab was vergessen, ich muss umkehren.«
    »Sollen wir dich zurückbringen?«, fragte der Sprecher.
    »Nein, nein, das ist in Ordnung hier.« Das Erdbeben, der syrisch-afrikanische

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