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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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Grabenbruch, Bilder vom Morgen zogen schnell durch seinen Kopf. Plötzlich, aus dem Nichts, fiel ihm auch die Fahrt mit der Familie Gam-zo-letova ein. Der Sprecher der drei sagte etwas auf Arabisch zum Fahrer, und dieser betätigte den Blinker, verlangsamte und hielt am Straßenrand. Der Sprecher schaltete die Innenbeleuchtung ein und drehte sich zu Gabi um. Auch der Fahrer drehte sich zu Gabi um. Der neben ihm musste sich nicht umdrehen, Gabi hatte seinen Blick von dem Moment an gefühlt, in dem er eingestiegen war. Ein unangenehmer Geruch hing im Auto, und Gabi schaute den Sprecher mit klopfendem Herzen an.
    »Ist was nicht in Ordnung? Stört was?«
    »Nein, alles in Ordnung. Ich muss nur nach Beit Guvrin zurück, ich hab bei der letzten Mitfahrgelegenheit was liegenlassen.«
    Der Sprecher sagte etwas zum Fahrer. Der neben Gabi fügte etwas hinzu. »Wo bist du Soldat?«, fragte er und griff nach der Nadel der Kommandoeinheit. »Was ist das, eine Katze?«
    Gabi gab keine Antwort, entfernte die Hand des Mannes nicht von seinem Hemd. Schweiß begann ihm von der Stirn zu rinnen. Das war’s anscheinend, dachte er, und in seinem Kopf zogen Nili und ihr Kuss vorüber, Anna mit ihrem neuen, geraden Haarschnitt vor dem Hintergrund der gelben Wüste und die blauen Augen des Herrn Gam-zo-letova.
    »Was wollt ihr?«, fragte er schließlich, sah dem Sprecher ins Gesicht. Der Fahrer griente.
    »Einen Soldaten wollen wir«, erwiderte der Sprecher. »Einen Kampfsoldaten. Wo ist dein Gewehr?«
    »Ich habe kein Gewehr. Ich bin kein Soldat. Ich bin noch in der Schule. Das ist die Uniform von meinem Bruder.« Gabi wimmerte jetzt fast. »Ich bin ein Junge. Ich bin kein Soldat.«
    »Kein Gewehr?«, sagte der Sprecher. Er sagte etwas in Arabisch, und der neben Gabi begann, seinen Körper zu durchsuchen, riss einen Hemdknopf ab, betastete seine Brust, schob eine Hand in seine Hose, packte sein Glied und streichelte seine Eier. » Inta jeled, ein Junge? Kein Soldat?« Gabi saß völlig gelähmt da, wartete auf das Schlitzen des Messers, schloss die Augen, und kalter Schweiß sagte ihm, dass er sich geirrt hatte, schrecklich geirrt, warum war er gefahren, warum war er weggegangen, warum heute, warum überhaupt. Die Araber redeten laut untereinander in hoher Tonlage. Sein Nebenmann ließ ihn los. Gabi schlug die Augen auf und sah ein Auto aus der Gegenrichtung mit blinkendem Blaulicht. Der Peugeot fuhr schnell wieder an, die Araber stritten sich, schrien jetzt richtig. Und dann schwiegen sie. Er verstand nicht, was los war. Vor der nächsten Kreuzung blinkte der Fahrer, fuhr an den Rand und hielt, drehte sich zu ihm mit einem durchbohrenden Blick, und dann stieg der Mann neben ihm aus dem Wagen aus und umrundete ihn. Er öffnete Gabis Tür, packte ihn am Kragen seines Militärhemds und zerrte ihn gewaltsam nach draußen. Das war’s jetzt, dachte Gabi, das ist mein Ende. Er stieß ein Wimmern aus. Der Mann warf ihn zu Boden, trat ein paar Mal nach ihm, bis er in den Straßengraben rollte. Erst sekundenlang später wagte es Gabi, seinen Kopf aus dem Graben zu heben; mit stolperndem Herzen, schweißüberströmt und keuchend, sah er, wie sich die Rücklichter des Peugeots entfernten. Als er zu weinen anfing, tanzten in seinem Gehirn wirre Worte: ein sehendes Auge, hörendes Ohr, im finstern Tal fürchte ich kein Unglück.
    Am nächsten Tag hörte er im Radio von einem Soldaten, der in der Nacht am Ha’ela-Straßenkreuz, genau in jener Gegend, entführt worden war. Einige Tage später wurde der Soldat nicht weit von dort tot aufgefunden, mit einer Kugel im Kopf, die aus einem israelischen Armeegewehr abgeschossen worden war, offenbar dem des Soldaten.
    Gabi kehrte am gleichen Tag in den Kibbuz zurück. Er trat mit den Palladium Boots und Ronis Uniform durch das Kibbuztor, mit wildem Haar und Wangen, die noch glatt wie die eines Knaben waren, ging schnurstracks zu seinem Zimmer und fiel in einen stundenlangen, süßen und ruhigen Schlaf. Als Jotam von der Basketballhalle zurückkam, näherte er sich vorsichtig dem Bett, um sich zu vergewissern, dass er nicht halluzinierte, und rannte dann wie der Blitz zu Jossis und Gilas Zimmer.
    Roni sagte zu Gabi, es mache ihm echt überhaupt nichts aus. Die Brigade sei nicht wichtig, er habe den Ausbildungsgang ja beendet, die Erfahrung gemacht, been there, done that, und es spiele wirklich keine Rolle für ihn, dass er jetzt ein Jobnik war und einfachen Dienst in einer Basis des Nachrichtendienstes in

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