Auf fremdem Land - Roman
Offizier führte dazu aus, dass die Relevanz der Verortung geradezu immens und grundsätzlich sei. Er breitete eine Landkarte aus, deutete mit einem aufklappbaren Metallzeigestab mit Kugelabschluss darauf und erläuterte die strategische Bedeutung des Hügelrückens gegenüber den restlichen Hügelkämmen in der Gegend und die unabweisbare Notwendigkeit der Landnahme, der Aufstellung von Wachtürmen und Errichtung einer hohen Betongussmauer, um die Siedlungen zu stärken, die Feinde abzuschrecken und den palästinensischen Terror, der ungehindert tobe, niederzuschlagen.
Dagegen trat im Namen der Anklage ein Reserveoffizier derselben Verteidigungsarmee desselben Israels im Rang eines Generalmajors auf, der eine ebenso reiche Vergangenheit in Sicherheitsbelangen aufwies sowie in Israels Kriegen, bezüglich des arabischen Feindes generell und des palästinensischen im Besonderen. Und gefragt: Entsprechen die Worte des Brigadegenerals, der vor Ihnen Zeugnis abgelegt hat, der Wahrheit?, erwiderte der Generalmajor der Reserve: Bockmist. Er setzte die Fruchtlosigkeit der Verlaufsführung eines Betonzauns an dieser Stelle auseinander und illustrierte mittels der Karte, dass das zur Debatte stehende Gebiet ruhig und friedlich und ungefährlich sei – und was habe es für einen Sinn, die Landschaft so zu zerreißen, die Bevölkerung von ihrer Lebensquelle abzuschneiden und Wut und Hass zu säen, die es zuvor nicht gegeben habe?
»Bei allem Respekt für die schöne Landschaft«, entgegnete der Vertreter der Verteidigung, »es handelt sich um einen strategischen Punkt, um Menschenleben und um die Sicherheit der jüdischen Siedler …«
»Die dort wider das Gesetz siedeln, auf privatem palästinensischem Boden und Naturschutzgrund, gegen die ein Evakuierungsbefehl in der Schwebe ist, zu dem die Gegenpetition in diesem Gericht kürzlich abgelehnt wurde … Wenn Sie bitte beachten« – er zückte seinen eigenen Metallzeigestab –, »der illegale Stützpunkt Ma’aleh Chermesch 3 erscheint überhaupt nicht auf der Karte der …«
»Die Siedlung ist zur Gänze ein integraler Bestandteil des Erschließungsplans der Siedlung Ma’aleh Chermesch, die durchaus auf der Karte erscheint, und die letzten Genehmigungen werden in den nächsten Tagen geregelt …«
»Das Gericht ist sicher erfreut zu erfahren, wie Sie Tatsachen vor Ort betonieren und im Nachhinein Genehmigungen beschaffen. Zum Fingerabschlecken, ein echter Höhepunkt an Gesetzeswahrung …«
»Ihr Zynismus ist fehl am Platz in einer ehrwürdigen Institution wie dem Gericht …«
»Von Ihnen etwas über Zynismus zu hören überschreitet bereits jegliche Grenze. Demnächst werden Sie mir sagen, dass Sie im Namen der Demokratie …«
Der Oberste Richter schnitt den Schlagabtausch ab und verlangte, die Würde des Gerichts zu wahren, die Richter zogen sich zur Debatte, Klärung und Beratung zurück und beorderten die Bevollmächtigten in ihr Zimmer, wechselten einige Worte mit ihnen und schickten sie wieder in den Saal hinaus. Dann traten die Richter heraus und verlasen das Urteil: Die Petition wurde zurückgewiesen, und sie hinterließ keine Spuren.
Otniel hörte einen Bericht über das Urteil im Radio und rief Nathan Eliav an. Nathan freute sich, dass das Gericht den Linken und Arabern einmal den Mund gestopft hatte und die Armee ihre Arbeit machen ließ.
»Aber was ist mit uns?«, fragte Otniel.
»Was soll das heißen, was ist mit euch?«
»Wir wollen nicht, dass der Zaun auf der Trasse verläuft, dort sind Grundstücke von uns. Diesmal sind wir ausnahmsweise für die Petition der Linken gewesen.«
»Äh … ja, stimmt. Lass mich ein paar Telefonate machen.«
Er rief ihn noch in der gleichen Stunde mit einer beruhigenden Botschaft zurück – man hatte ihm versichert, dass man trotz der Ablehnung des Obersten Gerichts auf alle Fälle warten müsse, bis der Sicherheitsminister beschlossen habe, wann der richtige Zeitpunkt sei, um mit der Arbeit zu beginnen. Da der Sicherheitsminister jedoch im Begriff stehe, kommende Woche nach Kairo und anschließend nach Washington zu reisen und generell den Norden und nicht die Westbank im Kopf habe, sei von ihm nicht zu erwarten, dass er in den nächsten zwei Wochen eine Entscheidung in Sachen Zaunbau träfe.
Otniel trennte die Verbindung und kratzte sich am Bart. Er warf einen Blick auf die Uhr. Zeit für einen Kaffee zu Hause und dann in die Molkerei. Schon seit einer Weile wollte er dort eine Neuorganisation durchführen,
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