Auf fremdem Land - Roman
und erwiderte: »Hol den Mixer von Neta zurück, und ich mach was.«
Jakir surfte wieder in Second Life . Seitdem er die Internetbestellungen für den Hof verwaltete, wagte es niemand mehr, einschließlich Otniel, der nichts von diesen Dingen verstand, ihn vom Computer wegzuholen. Er kehrte zu seiner virtuellen Figur zurück und begutachtete sie am Bildschirm. Er war zufrieden: Zusätzlich zu einem mächtigen schwarzen Bart hatte er eine weiße Kipa und ein Pferd namens »Killer«, das King Meir mit dem krönenden Kommentar »super cool!« versehen hatte. King Meir war – seiner Behauptung nach, denn in Second Life konnte man nie sicher sein, wer hinter den virtuellen Personen stand, die man traf – ein sechsunddreißigjähriger Rechtsanwalt aus Dallas, Texas, was erklärte, wie er die virtuelle Insel »Wiedererrichtung« mit zweihundert echten Dollars im Monat mieten konnte. Die restlichen Mitglieder der Gruppe waren ihren Angaben zufolge junge Juden wie er, mehrheitlich Amerikaner, und sie beteten in der Synagoge »Feuer der Wiedererrichtung«, die King Meir auf der Insel errichtet hatte, und unterhielten sich hauptsächlich über Araber. Alles in allem war es das, was man in Second Life vor allem machte – reden. Man tippte, deine Figur ließ die Worte in einer Comicsprechblase aufscheinen, und deine Gefährten ließen ihre Worte in ihren Blasen aufsteigen. King Meir war der unwidersprochene Führer der Bande und Jakir als, wie es schien, der einzige echte Siedler sein Liebling.
King Meir, im gelben Hemd mit dem Faustlogo der extremen Kach-Partei und der Parole »Kahana lebt«, wollte einen Aufruhr in der, für seinen Geschmack, zu ruhigen Welt von Second Life anzetteln. Er wollte den Arabern zeigen, wer das Sagen hatte. Tohuwabohu in den virtuellen Moscheen und dem Rest ihrer vergifteten Orte anrichten. Jüdische Macht demonstrieren! An jenem Abend erzählten die Freunde von einer Surfrunde, die sie in Islam-online gemacht hatten. Sie waren auf ein palästinensisches Museum gestoßen, das das »Unrecht der Okkupation« und den »palästinensischen Holocaust« dokumentierte – King Meir wollte sie empfindlich treffen, wollte, dass sie sich alle zusammen Gedanken machten, wie man es anstellte, dass es diesen unverschämten Typen so richtig wehtat. Jakir und King Meir und die anderen – der deutsche Klaus, Menachem aus Kalifornien und noch ein paar – unterhielten sich lange Zeit im Chatroom, bis Otniel sanft die Hand auf die Schulter seines Sohnes legte und ihn in die reale Welt zurückholte: »Schluss, Kleiner, wir gehen schlafen.«
Der Aufruhr
Eines Tages gegen Ende des Monats Sivan, sprich Mai, ein Tag mit glutheißen Wüstenwinden, als der Sommer strahlend präsent war und nicht mehr zurückweichen würde, trafen die gewaltigen Betonplatten, die Bauteile des Trennzauns, auf Transportern aus dem Betonwerk Ackerstein in Jerocham ein. Glattgrau, neun auf zwei Meter, dreißig Zentimeter dick. Sie wurden nahe den Planierraupen abgestellt, die wochenlang in der Sonne gedöst und auf den Tag des Befehls gewartet hatten.
Otniel beeilte sich, seine regulären Kontaktpersonen im Gemeinderat, in der Knesset und bei der Armee anzurufen. Es wurde ihm gesagt, man würde Nachforschungen anstellen, Alarmbereitschaft ausrufen, und er solle weiterhin berichten.
Ein paar Tage danach trat der Oberste Gerichtshof zusammen, um über die Sammelpetition der Bewohner des Dorfes Charmisch, der Eigentümer der Olivenhaine, zu beraten. Letztere wurden durch ihren Bevollmächtigten und die Organisation »Es gibt ein Gesetz« vertreten, und natürlich waren sie gegen den Bau des Zauns entlang des geplanten Trassenverlaufs, der zur Entwurzelung ihrer Olivenbäume und damit zum Verlust ihres Lebensunterhalts führen würde. Am gleichen Morgen brachen zahlreiche Dorfbewohner auf, um sich als Protest schweigend vor die Planierraupen zu setzen. Hauptmann Omer Levkovitsch traf mit seinen Soldaten ein, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Das Gericht hörte die Argumente des Antragstellers und rief den ersten Zeugen der Verteidigung im Auftrag des Staates Israel auf, ein Brigadegeneral mit reicher Vergangenheit in Sicherheitsbelangen, der im Leitungsstab der Grenzlinie diente. Der Offizier wurde nach der sicherheitstechnischen Relevanz der Trennzaunführung an jenem Hügelrücken gefragt, durch jene privaten Haine, unter Blockierung des Zugangs der Bewohner zu ihren Feldern und Abschneidung von ihren Lebensunterhaltsquellen. Der
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