Auf fremdem Land - Roman
Nachrichtenblatt jeden, der etwas genommen hat, gebeten haben, es zurückzubringen«, versuchte er sie aufzumuntern, »und Schimi und Tili sind ganz versessen auf die Spielplatzanlage.« Sie reagierte mit einer weiteren Tränenwelle, und er wusste, weshalb. In Schiloh hatten sie einen phantastischen Spielplatz gegenüber dem Haus gehabt, wo die Kinder immer unbeaufsichtigt hingehen konnten und jeden Tag stundenlang spielten. »Wenn bloß dieser schlimme Wind sie heute Nacht nicht wieder aufweckt«, flehte sie schluchzend.
Nachum war Optiker. Er liebte die Kombination von Mode und Körperkultivierung einerseits – die Seite, bei der Raja ihm half, bei der Katalogauswahl der Rahmengestelle und der Anprobe, während sie im Laden war – und andererseits das therapeutische Element, die Körperkorrektur; er ermöglichte es den Menschen, die Welt zu sehen, wie sie war. »Die Natur hier ist bezaubernd«, er spähte durch das zerrissene Fliegengitter am Fenster in die schwarze Nacht hinaus. »Du kannst nicht die Landschaft genießen und dich über den Wind beklagen, man muss das komplette Bild sehen«, sagte er mit trauriger Stimme.
Roni ging hinaus zu einem Spaziergang. Er blieb bei Joni am Torposten stehen und hörte ein paar Minuten zusammen mit ihm Radio. »Gehst du nie nach Hause?«, fragte er den Soldaten. »Es scheint, als ob du immer da bist.«
Joni lächelte, eine Ausgabe von Blazer in den Händen. »Diesen Schabbat bin ich endlich mal zu Hause.«
»Wo bist du zu Hause?«
»Netanja.«
Roni hatte nichts zu sagen zu Netanja. Nach weiteren zwei Minuten stand er auf, lächelte und sagte: »Gute Nacht.« Draußen biss er die Zähne gegen den Wind zusammen und zischte in sich hinein: »Der arme Kerl, hat aus jeder Welt das Schlechteste abbekommen. Sowohl Israeli als auch Afrikaner. Großer Gott. Wenigstens lächelt er.«
Auf dem Nachhauseweg hielt er bei Gabis Zimmer und schaltete die blasse Glühbirne ein. Er sah, dass Gabi mit dem Zusammenbau eines Bettgestells aus Holz fast fertig war, und ihm fiel ein, dass Gabi zu ihm gesagt hatte, wenn es ein Bett gäbe, würde er ins Zimmer ziehen zum Schlafen. Er hatte zwar noch kein Wasserrohr gelegt, es gab keine Möbel, und das Dach war nicht komplett – Gabi wartete auf Ziegel, die ihm ein Freund von einem anderen Hügel versprochen hatte, wunderschöne grüne Dachziegel, der Freund musste nur noch ein Dach auf seinem Hügel fertigstellen und dann würde er Gabi alles geben, was übrig blieb –, aber das störte ihn nicht, im Gegenteil, er liebte die rustikalen Bedingungen, suchte das Pioniertum. Manchmal erscheine ihm sogar Ma’aleh Chermesch 3 zu gesetzt und bürgerlich, hatte er gesagt, mit den Steinverkleidungen der Bauten und alldem. Roni hatte ihn gefragt, was mit dem Wohnwagen passieren würde, wenn er umzog. Gabi erwiderte: »Ich weiß nicht. Da musst du das Eingliederungskomitee fragen.« Roni machte ein niedergeschlagenes Gesicht. Das Komitee und er waren nicht besonders gut miteinander zurechtgekommen.
Nir wiegte den kleinen Zebuli, während Scha’ulit Tchelet fertig wusch und ihr eine Windel und den Pyjama anzog. Riesenwirbel: Schoschanna, die Puppe, war verschwunden, ohne die Tchelet nicht bereit war, schlafen zu gehen. Suchaktionen wurden im ganzen Haus durchgeführt: Matratzen wurden hochgehoben, Möbel verrückt, dunkle Ecken untersucht, mit einer Lampe der Hof ausgeleuchtet – nicht einmal das symbolische Sauerteigstückchen vor Pessach hatten sie derart gründlich gesucht. Schließlich rief Scha’ulit bei Nechama an, und nach zehn Minuten Klatsch wurde die schicksalhafte Frage gestellt, worauf Nechama ein bisschen nachdachte und meinte: »Kann sein, dass Schoschanna im Kindergarten ist.« Nir zog die Schuhe an und ging in die Nacht hinaus, betrat die Synagoge, wo er auf Jehu und Josh stieß, die im Abendgebet schaukelten, und fand Schoschanna im Kindergarten. Er brachte sie in die liebevollen Arme Tchelets zurück, die die Augen schloss und in Sekundenschnelle einschlief. Scha’ulit hob ihre geröteten Augen zu Nir und flüsterte: »Danke«, und er umarmte sie und streichelte ihre Schultern. Seit der Geburt war sie traurig, behauptete, Zebuli erinnere sie an ihren Vater, der vor acht Jahren von Terroristen auf der Straße nach Beit-El ermordet worden war. Sie wischte sich die Tränen ab und sagte: »Nechama hat den Gottliebs einen Kuchen gebacken, und wir sind nicht mal hingegangen, um sie willkommen zu heißen.«
Nir schnitt eine Grimasse
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