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Auf fremdem Land - Roman

Auf fremdem Land - Roman

Titel: Auf fremdem Land - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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religiöse Jugendliche fluchten und beteten zu ihren Vätern im Himmel, Siedler runzelten die Stirn, kniffen die Augen zusammen und fragten: »Wer ist das dort, zum Teu…«
    Der Caterpillar D9N ist vorne mit einer schweren Schaufel ausgerüstet, die aus Stahlguss hergestellt ist. Sie wiegt über sieben Tonnen, ist zwei Meter hoch und fast fünf Meter breit. Am Ende des Schaufeltellers ragen spitze Stahlzähne heraus, über die, einer nach dem anderen, Neta Hirschson, Mussa Ibrahim und Roni Kupfer sprangen und dann in die Schaufel stiegen, die eine Sekunde darauf von dem Soldaten des Ingenieurskorps, Dudu, der sich des neuen Inhalts nicht bewusst war, emporgehoben wurde.
    Infolge ziemlich hysterischen Händegefuchtels des Befehlshabers des Zentralkommandos, Generalmajors Giora, brachte Dudu die Planierraupe mitsamt den drei schwer schnaufenden Personen auf der erhobenen Schaufel zum Stillstand. Die Fernsehfotografen stürzten auf die bevölkerte Schaufel los, doch die Soldaten drängten sie ab. Die Verstärkung traf endlich ein und half, die Demonstranten unter Kontrolle zu bekommen, die gegen die Besetzung oder gegen den Terror, für die Besiedlung oder für die Menschenrechte brüllten. Hauptmann Omer Levkovitsch stellte zu Dudu in der Planierraupe Blickkontakt her und dirigierte ihn, die Schaufel in Zeitlupe auf die Erde herabzusenken. Die drei Helden wurden wieder auf den Boden zurückgebracht, unter dem Beifallsgejohle des Publikums. Neta sagte etwas zu Mussa, und Mussa antwortete. Roni, zwischen den beiden, sagte etwas, und auf einmal lächelten alle drei – mehr für sich als einander an, mehr verlegen als offen, aber nichtsdestotrotz.
    Der Befehlshaber des Zentralkommandos sprach ins Telefon. Er nickte und gab das Gerät einem seiner Offiziere zurück. Ein Soldat ließ Handschellen um Mussas Handgelenke einschnappen, weitere Soldaten begleiteten die beiden anderen Schaufelspringer. Der Generalmajor trat zu seinen Soldaten und bat Omer, alle um ihn herum zu versammeln. Seine Anweisung war kurz und bündig. »Leute, Abzug«, sagte er und drehte sich zu seinem Panzerfahrzeug um.
    Die »Jerusalemer Mischung«
    Jeff McKinley, der Korrespondent der Washington Post , hielt angestrengt die Augen vor dem Bildschirm offen. Er griff mit klobigen, fettigen Fingern nach einer Portion Jerusalemer Mischung, dem phantastischen Fastfood aus gebratenen Hühnerinnereien aus dem Mitternachtssteakhaus, und versuchte wie jeden Abend die hebräische Nachrichtenausgabe zu verfolgen. Seinem müden Gehirn gelang es, ungefähr ein Wort von fünf oder sechs aufzuschnappen. Anfangs waren die Bilder ziemlich stereotyp – Planierraupen, Soldaten, Siedler, Palästinenser. Doch dann begann er, die Gesichter zu identifizieren, die ihm vom Bildschirm entgegenblickten: Da war dieser Siedler, der ihn irrtümlich zum Stützpunkt mitgenommen hatte, und an die Siedlerin mit der orangefarbenen Haube erinnerte er sich auch, warum war sie jetzt so aufgebracht? Und hier, sein Gefährte beim Trampen, der damals einen Anzug getragen hatte, und auch der Offizier, der ihn aus der Siedlung mit zurücknahm und ihm in seinem Armeejeep ein paar interessante Sachen erzählt hatte. Ja, das war der Stützpunkt von Mamelstein, er erinnerte sich, und dann weiteten sich seine Augen vor Staunen, als die Reportage in einem Dreifachsprung auf die Schaufel der Planierraupe kulminierte, und das Lachen, das seinem Mund entfuhr, versprühte Fleisch- und Fettstückchen über seinen Schreibtisch und die darauf verstreuten Papiere.
    Ma’aleh Chermesch 3, o Gott, fast hatte er es vergessen. Und jetzt kehrte jener Tag, Monate zuvor, zu ihm zurück: Der Auslandsredakteur der Zeitung in Washington war verärgert gewesen über das versäumte Interview mit dem Minister, das er versprochen hatte. Die alternative Reportage, die McKinley vorgeschlagen hatte – über Sheldon Mamelstein und seine Spielplatzstiftung für den illegalen Stützpunkt –, hatte den Redakteur zwar interessiert, doch genau an diesem Tag gab es ein Erdbeben mit tausenden Toten in China, und ein Flugzeug mit estländischen Parlamentariern zerschellte in Lettland, und die Seiten der Auslandsnachrichten der Zeitung waren voll. Zwei Tage später wurde das ursprüngliche Interview mit dem Minister von Neuem anberaumt – McKinley traf sich mit ihm in der Knesset –, und so löste sich die Reportage über Mamelstein und den Stützpunkt in Luft auf. Noch ein jüdisch-amerikanischer Millionär, der noch einer

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