Auf in den Urwald (German Edition)
Jeschke will seine Schulden zurückhaben. Möglichst schnell, hat er gesagt. Er braucht das Geld.«
»Die paar Tausend Euro! Auf die kann er doch noch ein bisschen warten! Die Saison hat doch gerade erst angefangen!«,
»Es sind nicht ein paar Tausend, es sind 63.000 ...«
Mirja musste sich erst einmal setzen. »63.000 Euro!«, wiederholte sie fassungslos. »Wofür so viel Geld, Papa?«
»Erst war es nicht so viel, nur 22.000. Als Mama immer im Krankenhaus lag, gingen die Geschäfte schlecht. Wir mussten oft eine Kirmes ausfallen lassen, du weißt ... Ja, und dann, als Mama damals aus dem Krankenhaus entlassen wurde, weil die Ärzte nichts mehr machen konnten, da hab ich in einer Zeitschrift von dieser Spezialklinik gelesen.«
»Dort, wo Mama zuletzt gewesen ist, in Konstanz, meinst du?«
»Ja, in Konstanz. In der Zeitung stand, dass der Professor, dem die Klinik gehört, viele Krebskranke mit Naturheilmitteln geheilt hat. Ich hab Mama dann überredet, in die Klinik zu gehen ... Na ja, geholfen hat es leider nichts ...« Mirjas Vater schwieg, es fiel ihm sichtlich schwer, darüber zu reden.
»Und dann, Papa?«, fragte Mirja leise.
»Dann ist die Rechnung von dem Professor gekommen. Knapp 40.000 Euro, für drei Monate Pflege und die vielen teuren Medikamente und alles andere ...«
»40.000?!«
»40.000, ja. Ich bin zur Krankenkasse gegangen, aber die haben gesagt: ›Ne, Herr Schneider, das können wir nicht bezahlen. Die Naturheilmethode ist nicht anerkannt, da hätten Sie uns vorher fragen müssen‹.«
»Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
»Ich weiß nicht ... Ich wusste selbst nicht, was ich machen sollte ...«
»Und dann bist du zu Jeschke gegangen.«
»Nicht direkt. Jeschke ist immer wieder vorbeigekommen. Hat gefragt, hat geguckt.«
»Aber warum hast du es nicht bei der Bank versucht?«
»Bei der Bank versucht ...«, wiederholte Mirjas Vater. »Ja, ich hab zur Bank gehen wollen, aber Jeschke meinte, die Banken wollten Sicherheiten und Zinsen, 15 Prozent oder mehr. Er würde es mir für die Hälfte geben und Sicherheiten bräuchte er keine, das Geschäft wäre ja gut am Laufen, ich könnte es bald wieder zurückzahlen ... Ich hab doch nicht daran gedacht, dass er es so schnell zurückhaben will.«
»Was hat er gestern zu dir gesagt?«
»Die Zeiten wären schlecht und so, die Geschäfte liefen nicht mehr so gut. Er bräuchte das Geld für eine andere Sache, in die er investieren will ...«
»Klar, Jeschke kauft alle großen Geschäfte auf. Weißt du noch, wie er das Riesenrad vom Scholl gekauft hat, dann noch die Achterbahn vom Rensmeier und den Riesen-Wellenreiter und das Space-Lab, das später abgebrannt ist. Ich glaub, dem gehören bald alle großen Geschäfte auf der Kirmes. Und jetzt noch unsere Geisterbahn ...« Mirja war verbittert, beinahe kamen ihr die Tränen.
»Na ja, er weiß eben, wie man Geschäfte macht ...«
»Was heißt, er weiß, wie man Geschäfte macht? Er nimmt die Leute aus, genau wie uns!«
»Sicher. Aber er hat mir gesagt, dass er uns 400.000 für das Geschäft gibt. Wenn wir die Schulden und die Zinsen abziehen, so bleibt noch jede Menge für uns übrig. Bar zahlt er mir das ganze Geld auf die Hand aus. Und wir können hier weiter arbeiten. Sogar mit Umsatzbeteiligung. Oder wir machen ein ganz anderes Geschäft auf, kleiner ...«
»400.000? Papa! Das Geschäft ist mindestens eine Million wert!«
»Ja, schon. Aber nur auf dem Papier. Hier ist doch alles veraltet. Der Edek flickt überall. Wir müssten mindestens 150.000, sogar 160.000 reinstecken, hat der Jeschke gesagt. Die Leute wollen heute was anderes sehen. Er will die Geisterbahn umbauen. Kameras sollen rein, hat er mir erzählt, und Bildschirme mit Computereffekten, und schneller soll sie auch werden, da braucht man ganz neue Schienen und Motoren. Das Geschäft wird dann viel besser laufen ...«
»Papa, hast du schon unterschrieben?« Mirjas Stimme wurde plötzlich hart.
»Nein, aber Jeschke kommt morgen vorbei, hat er gesagt ...« Mirjas Vater starrte irgendeinen Punkt auf dem Tisch an.
»Und dann willst du das Geschäft aufgeben, das du mit Mama aufgebaut hast?«
»Was heißt aufgeben. Wir bleiben ja hier ...«
»Aber es wird nicht unser eigenes Geschäft sein!«
»Wir können hier im Wohnwagen bleiben und arbeiten können wir ...«
»Nein!«, unterbrach Mirja ihren Vater mit tränenerstickter Stimme. »Der Jeschke kriegt das Geschäft nicht! Ich hab Mama versprochen, dass
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