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Auf Inseln (German Edition)

Auf Inseln (German Edition)

Titel: Auf Inseln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel von Treppen
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mit Vanessa erörtern, möchte ihre Geschichte hören. Stand sie auch auf Messdienerinnen? Wäre nicht schlecht, Vanessa zum Bibelkreis mitzunehmen, denkt er sich und zündet sich eine weitere Zigarette an; um irgendwie auf Vorrat zu rauchen. In den Kirchen von New Avignon war das Rauchen unausgesprochen verboten, obgleich Robert den Grund dafür nie verstanden hat, da ja ansonsten in öffentlichen Räumen, an den Arbeitsplätzen, in den Büros das Rauchen selbstverständlich gestattet war. Es bleiben noch wenige Minuten, um sich für das bevorstehende Ereignis vorzubereiten, er kippt also schneller seinen Schnaps. Hätte schon Vorteile, wenn Paul und Sandra zusammen kämen. Gut, er könnte nicht mehr so viel Zeit mit Paul abhängen, aber dafür hätte er mehr Zeit mit Vanessa und die Hoffnung, dass noch der Heilige Geist über sie kommt, hat er noch nicht ganz aufgegeben. Es klopft an seiner Kabine. Etwas unwillig geht er zur Tür und öffnet sie. Es ist natürlich Paul, mit einem schelmischen Lächeln im Gesicht. „Ganz kurz noch, Paul, ich muss mir noch einen genehmigen“   
     
     
     
     
    Der Bibelkreis trifft sich regelmäßig in Aufenthaltsraum B. Sie sind schon alle da, die vier Frauen und die fünf Männer und wie es sich gehört, wird in der Sitzordnung Geschlechtertrennung eingehalten. Paul und Robert setzen sich auf die Seite der Männer; das Erscheinen von Robert löst Erstaunen in den Gesichtern der Frauen aus. Nachdem die beiden sich gesetzt haben, spricht David, ein stämmiger und kräftiger Bursche mit Vollbart, einleitende Worte, die dann in ein fünfminütiges Gebet übergehen. Robert kennt die Verse, bleibt stumm, sieht hier keinerlei Veranlassung den Scheinheiligen zu spielen, während Paul sich am Gebet beteiligt. Das Gebet hat eine Dreiteilung; David, als Vorbeter, spricht eine Strophe, dann geht der Part an die Männer über, dann folgen die Frauen. Es ist eine übliche Gebetsform, die in den Kirchen von New Avignon seit Jahrhunderten praktiziert werden. Robert sucht vergeblich einen der Aschenbecher, die hier irgendwo in B stecken müssen, die aber in der Vorbereitung dieses Treffen sorgfältig außer Sicht gebracht wurden. Zweifel kommen bei ihm auf, ob seine Teilnahme eine gute Idee war. Möglicherweise gibt es keinerlei Freiraum seinen Frust und seine Ketzereien auszudrücken, hier folgt alles vielleicht einem festen Reglement. Er atmet auf, als die zwölf Strophen des langweiligen Gebets gesprochen sind. David begrüßt Paul und ihn namentlich, spricht die Hoffnung aus, in ihnen ständige Besucher des Kreises zu sehen. Das kann er nicht ernst meinen, denn man kennt Robert. David fordert Paul und Robert auf, ihre Beweggründe, an dieser heiligen Zusammenkunft teilzunehmen, mitzuteilen. Paul guckt Sandra kurz an und erzählt der Runde, dass er der Einladung Sandras gefolgt sei, um diese neue Form von Religiosität, die sich auf der Finder etabliert hat, kennenzulernen. „Ich bin ein religiöser Mensch, glaube an den einen unpersonalen Gott, der unser Universum geschaffen hat. Ich glaube an das Gute, dass sich in Gottes Wille ausdrückt. Der Glaube an den guten Weltgeist gibt mir die Kraft mein Leben zu gestalten, gibt mir ein Fundament für meine Moral, die ansonsten keine Grundlage hätte. Man kann keine Moral aus naturwissenschaftlichen Erkenntnissen entwickeln. Ich zweifele nicht die Gesetze der Evolution an, aus der sich aber keine Regeln für das menschliche Zusammenleben entwickeln lassen, glaube aber das das Gute sich gegenüber dem Bösen durchsetzen wird.“ Er sieht in wohlmeinende Gesichter in seiner Umgebung, die sich aber verfinstern, als er mit dem Satz schließt: „Allerdings, ich lehne die Kirche New Avignons, das theokratische Gesellschaftssystem mit seiner Unterdrückung ab.“ Bevor Robert zu Wort kommen kann, ergreift David wieder das Wort. Er verteidigt die Kirche New Avignons, da sie auf Jahrtausend alte Traditionen und Wahrheiten beruhen. Der Mensch darf sich nicht anmaßen mit seiner Ratio seine Religion und den religiösen Ritus zu gestalten. Die Unendlichkeit Gottes erschließt sich dem Menschen nicht. Er ist auf Gottes Botschaften und Gottes Wort angewiesen, die er befolgen muss, ohne sie zu hinterfragen. Nur den Heiligen war vergönnt, direkten Kontakt mit Gott zu haben, sie haben seine Botschaft tradiert, gelehrt, wie Gott zu preisen ist. Die Kirche als religiöses Kollektiv mit dem göttlichen Erbe der Bibel, Gottes Worte sind dennoch unfehlbar. Der

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