Auf Inseln (German Edition)
glaubst du an die Bibel, an die Worte Gottes, Wort für Wort?“ Paul antwortet kurz und prägnant. „Nein!“ - „Dann verlasse bitte unseren Kreis“ Paul sieht Sandra kurz verzweifelt an. „Paul, sind wir mehr als Tausend Lichtjahre von New Avignon entfernt, um uns diesen gefährlichen Unsinn anzuhören? Diese Möchtegernpfaffen haben nur eins mit uns gemeinsam, ihre Geilheit, die sie allerdings zu Welteroberungsplänen drängt.“ In den Gesichtern der Gemeinde formt sich Ablehnung, in denen der Frauen zusätzlich Entsetzen. „Hier entsteht ein Sumpf, den man nur austrocknen kann, indem man ihm seine Basis nimmt und diese Basis sind Frauen.“ Es erfolgt der erwartete Rausschmiss, kommt zu kleinen Handgreiflichkeiten und zu ein bisschen Tumult. Robert behält ein blaues Auge, die bibeltreuen Männer sind in der Überzahl, Sandra weint hysterisch und zum ersten Mal hofft Robert, dass sich Hugo Scheffener dies alles angeschaut hat.
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Die Sache mit den Aborigines lag nun ein paar Wochen zurück, die neue Jahreszeit hatte endgültig ihr Regime übernommen, Paul und ich befanden uns auf einem Dampfer, die Sankt Konstantin, der uns zu unserem verdienten Urlaubsziel bringen sollte. Im Vergleich zu unserer letzten Seereise war die Überfahrt Athens – Angelino relativ kurz. Es waren circa 250 Kilometer, die die beiden Hafenstädte voneinander trennten. Von dort aus würde die Reise per Zug weitergehen, in den südlichen Teil New Havannas, zu Küsten, an denen es immer warm war. Beide Inseln strecken sich von Norden nach Süden, wobei die Ost-West-Ausdehnung selten zweihundert Kilometer überschritt. Auch in New Avignon wird es aufgrund der ozeanischen Lage, abgesehen von einigen Bergregionen nie richtig kalt, Schnee ist an der Südküste selten, aber der Winter ist nass, ungemütlich und stürmisch. Obgleich die beiden Gesellschaften über die Technik verfügten, einen Luftverkehr mit Flugzeugen zu etablieren, hatte sich ein solcher nicht entwickelt. Auf den Inseln benutzte man den Zug oder das Auto und die Handelsbeziehungen und der Tourismus zwischen New Avignon und New Havanna war so spärlich entwickelt, dass sich der Bau von größeren Flugzeugen nicht lohnte. Die beiden Gesellschaften schotteten sich gewissermaßen ab, einem gewöhnlichen Bürger New Havannas war es verboten, New Avignon zu besuchen. In Diskussionen mit Paul, unterstrich dieser immer wieder, dass es für die Menschheit wichtig sei, die Gegensätze zu überwinden und sich zu vereinen. Er hatte immer noch nicht die Vorstellung aufgegeben, dass die Menschen den ganzen Planeten besiedeln müssten, obgleich sie etwas friedlicher geworden war, da er meinte, dass Menschen und Aborigines in friedlicher Koexistenz miteinander leben sollten. Dazu musste ein Weg gefunden werden, die Nähe eines Aborigines zu ertragen. Ich fand das mit der friedlichen Koexistenz irgendwie unrealistisch, da vermutlich im Gegensatz zu den Aborigines die Menschen expansive Wesen sind, die sich wie die Karnickel vermehren, für sich, ihre Nutzpflanzen und Nutztieren immer mehr Raum beanspruchen, sodass letztendlich für die Aborigines, wenn überhaupt, kleine Reservate übrig blieben. Die Geschichte der Erde mit ihren schließlich zwölf Milliarden Menschen hatte das bewiesen. Eine Vereinigung unserer zwei Inselgesellschaften war meines Erachtens nur über zwei Wege möglich, den der feindlichen Übernahme oder den des Sieges der Freiheit über die Unterdrückung, die beiden Systemen gemeinsam war; dies hätte letztendlich Religionsfreiheit bedeutet. Ich für meinen Teil hatte kaum Lust mich in gesellschaftskritische Diskurse zu begeben; zum einen war es gefährlich und zum anderen genügte mir die Chance der zwischenmenschlichen Begegnung, da sich unserer Kasse dank der Teilnahme an einem wissenschaftlichen Experiment wieder aufgefüllt hatte. Ich verfügte nicht soviel wie damals, bei meinem ersten New Havanna Urlaub, da ich damals als Dozent einen guten Job hatte. Es war Geld genug, um fast einen ganzen Urlaub mit Paola zu verbringen. Diesmal würde es vermutlich für die eine oder andere Nacht reichen, Grund genug, um eine gewisse Vorfreude zu entwickeln. Ich kannte New Havanna, und ich wusste, dass über Paul eine Art Kulturschock kommen würde. Als Tourist verlor man schnell aus dem Auge, welche Unfreiheit in New Havanna herrschte, berauscht von den Möglichkeiten,
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