Auf nassen Straßen
Tür im Hintergrund.
Nach etwa zehn Minuten, in denen Jochen Baumgart die Ritterrüstungen betrachtet und in einem französischen Magazin geblättert hatte, das auf einem Tisch lag, betrat Paul Meyer in Begleitung eines Herrn im Frack wieder die Halle. Jochen legte das Magazin zurück auf den Tisch.
»Burbach«, sagte der Herr im Frack. Er musterte Jochen schnell. Die Tränensäcke unter seinen Augen gaben dem Gesicht etwas Melancholisches. Aber Baumgart spürte, daß dieser elegante Mann eine Gefahr für seinen Plan war.
»Baumgart«, sagte Jochen.
»Ich bin beauftragt, Ihnen einen Vergleich vorzuschlagen. Sie wissen etwas, und das wollen Sie zu Geld machen. Ein natürlicher Vorgang. Wie hoch ist Ihr Preis?«
Jochen Baumgart lächelt mokant. »Zahlen erregen mich nicht«, sagte er selbstbewußt. »Ob sie auf einem Scheck stehen oder auf einer Banknote. Ich kann es mir leisten, Ihnen zu sagen, daß ich nicht käuflich bin.«
»Sie suchen Verbindungen, Herr Baumgart?« Direktor Burbach hatte eine Idee. »Sie wollen unsere Kreise engagieren?«
»Vielleicht.« Jochen Baumgart drückte seine Zigarette in einem Jadeaschenbecher aus. »Ich habe Ideen …«
»Bitte keine Erfindungen!« Direktor Burbach verzog den Mund, als habe er Essig getrunken. »Die Erfinder sind das letzte, was wir verkraften können!«
»Ich möchte ein Schiff haben«, sagte Baumgart. Seine Stimme war plötzlich nicht mehr weich und ein wenig spöttisch, sondern hart und abrupt.
Paul Meyer riß die kleinen Augen auf. »Ein Schiff?«
»Verrückt«, setzte Direktor Burbach fort.
»In Ihren Augen. Für mich ist dieses Schiff eine Lebensnotwendigkeit. Sie werden es verstehen, wenn ich Ihnen meine Pläne vortrage.«
Direktor Burbach winkte ab. Sein Gesicht war blaß. Die Tränensäcke hingen wie dicke Birnen auf die Wangen.
»Sparen Sie sich die Pläne, Herr Baumgart. Ein Schiff! Das ist die tollste Erpressung, die es bisher gab. Ein Schiff kostet Millionen – dafür lassen wir es lieber zu einem Skandal kommen, willigen in die Ehescheidungen unserer Frauen ein und versuchen, alles im Sande verlaufen zu lassen. Das ist uns Ihr schäbiges Wissen nicht wert!«
Er wollte sich abdrehen, aber Baumgart hielt ihn mit einem Wort zurück.
»Es wird Morde und Selbstmorde geben. Wenn der Herr Konsul erfährt, daß seine junge Frau heimlich in diesem Klub hier sich mit …«
Paul Meyer hob die Hand. »Lassen Sie das, Baumgart.«
»Es wird eine Schießerei geben! Der Konsul ist Südländer. Diese Männer sind wie Druckkessel, an denen die Ventile nicht arbeiten! Sie explodieren.«
Direktor Burbach drehte sich wieder herum. Über sein bleiches Gesicht zuckte es. »Ich möchte Sie umbringen, Baumgart. Ich möchte Sie kaltlächelnd erschießen!«
»Bitte, tun Sie es. Wenn ich morgen früh nicht nach Hause komme, wird bei der Polizei ein Tonband abgeliefert, auf das ich alles gesprochen habe, was ich vom Paul-Meyer-Klub weiß.« Er hob wie bedauernd die Schultern. »Die Technik, meine Herren. Wir sind ihr Sklave geworden.«
Direktor Burbach strich sich über die Haare. »Kommen Sie!« sagte er heiser. »Ich werde Sie den anderen Herren vorstellen.«
Die Bank bewilligte ein Darlehen auf die ›Guter Weg‹.
Der alte Baumgart wurde wieder in das große, neue, fast nur aus Glas bestehende Gebäude der Bank bestellt, und einer der Direktoren übergab ihm den Schuldschein zur Unterschrift.
»Wir geben Ihnen das Darlehen gerne«, sagte er. »Seit fast dreißig Jahren arbeiten wir mit Ihnen ohne Reklamationen oder Schwierigkeiten zusammen, etwas, was man nicht von allen unseren Kunden sagen kann.« Er räusperte sich, weil der alte Baumgart zögerte und mit dem Füllfederhalter ungelenk über dem Darlehnsschein spielte. »Deshalb ging auch alles so schnell.«
»Danke.«
Der Direktor sah erstaunt auf den alten Baumgart. Der hatte den Füllhalter wieder hingelegt.
»Warum unterschreiben Sie nicht?«
»Es ist schwer, Herr Direktor.«
»Schwer, Geld zu bekommen?«
»Schwer, ein halbes Leben wegzugeben.« Der alte Baumgart sah zu dem kopfschüttelnden Direktor auf. »Sie verstehen es nicht. Wer kann es Ihnen übelnehmen? Sehen Sie, seit meinem zehnten Lebensjahr fahre ich auf den Flüssen und Kanälen, ich habe von meinem Vater das Motorschiff übernommen. Immer war es schuldenfrei, immer waren wir ehrlich, immer konnte ich sagen: Mein Schiff gehört mir. Und auf einmal, im Alter, am Ende meines Lebens, gebe ich einen Teil des Schiffes weg. Es gehört
Weitere Kostenlose Bücher