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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Malangré
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Verbrecher bis zu
Christus. Größer kann die Spannbreite nicht sein. Eine klare Definition ist
damit unmöglich. Es sei denn, man räumt ein, wir alle seien irgendwie „Pilger“,
unterwegs. — Das würde dann ja auch zu unserem Lied passen: „Wir sind nur Gast
auf Erden ...“

6. KAPITEL

Die Geschichte I
     
     
    Bisher wurden wir auf unserer
Reise mit Bibel, Überlieferung und Legende konfrontiert.
    Nun sind wir auf dem Paß von
Roncesvalles. Bei den „Wegen“ haben wir ihn schon erwähnt. — Wir wollen den bisherigen
Verlauf der Reise noch einmal deutlich machen: Über den Somport-Paß sind wir
nach Spanien gekommen, haben in Jaca Station gemacht, sind weitergefahren über
Leyre und Sangüesa nach Pamplona, und von dort aus stiegen wir auf nach
Roncesvalles.
     
    Die spanische Landschaft ist
ein Kapitel für sich. Und das soll sie auch in diesem Buch haben — freilich
ohne jedes Genügen! Die spanische Geschichte ist eine ganze Bibliothek wert!
Nehmen wir aus der spanischen Geschichte das heraus, was mit unserer Wallfahrt
zu tun hat.
    Wir sind in diesem Reisebuch
Spanien und seiner Geschichte erstmalig begegnet, als wir die Möglichkeit einer
Missionsreise des Jakobus nach Spanien untersuchten. In der frühchristlichen
Zeit war Spanien Teil des römischen Reiches. Seit etwa 200 v. Chr. dauerte die
Eroberung und Befriedung Spaniens durch die Römer an, bis hin zu Augustus. —
Von der Urbevölkerung, den Iberern, wissen wir wenig: Phönizier, Griechen,
Karthager besiedeln im ersten vorchristlichen Jahrtausend das Land. In der Spätzeit
des römischen Reiches kommen Franken, Alanen, Sueben und Wandalen nach Spanien,
am wichtigsten sind dann die Westgoten. Sie gründen 414 n. Chr. unter ihrem
König Arthaulf ein westgotisches Reich mit Toledo als Hauptstadt. Drei
Jahrhunderte sind die Westgoten die Beherrscher und Bewohner des Landes. Sie
sind Christen: zunächst Arianer, später — seit dem Konzil von Toledo (589) —
Katholiken.
    Dann erfolgt die Eroberung fast
ganz Spaniens durch die Araber, durch den Islam. 711 ist das entscheidende
Datum. In der Schlacht bei Jerez de la Frontera besiegt der arabische Feldherr
Tarik — noch heute nennen wir seinen Namen, wenn wir von Gibraltar, dem Gebel
al-Tarik, dem „Felsen des Tarik“ sprechen! — den Westgotenkönig Roderich. Der
Siegeszug des Islam auf der iberischen Halbinsel ist nicht aufzuhalten, wenn
auch 718 der Westgote Pelayo bei Covadonga noch eine Schlacht gegen die Mauren
gewinnt.
    Einige Daten zur Eroberung
Spaniens durch die Mauren: 933 wird Madrid genommen, 985 Barcelona, 987 León,
997 gar Santiago de Compostela, wir sprachen darüber bei der Baugeschichte der
Kathedrale. Der siegreiche Feldherr Almansur erhält als Kalif den Namen
Mohammed II. ; er stirbt 1009.
    Für die spanische Geschichte
ist von entscheidender Wichtigkeit, daß nicht ganz Spanien in maurische
Hand gefallen war. Hier ist das Jahr 718, die schon mehrfach erwähnte Schlacht
von Covadonga, ein entscheidendes Datum. Es ist das Geburtsjahr des
Königreiches Asturien, der Keimzelle der späteren Reconquista. Helmut Deutz
erklärt uns während der Fahrt „die Lage“: Um 800 hat das islamische Emirat
Córdoba die Herrschaft über fast ganz Spanien; nur Asturien im äußersten
Nordwesten — und die 795 gegründete „Spanische Mark“ Karls des Großen mit
Pamplona — sind außerhalb des maurisch beherrschten Gebiets. Selbst dieser
christliche Restbestand wird noch weiter dezimiert. Die „Spanische Mark“ geht
verloren, auch Santiago de Compostela wird erobert. Übrig bleibt nur der
„asturische Kern“ im wenig zugänglichen Gebirgsland. Oviedo ist die Zentrale.
    Noch heute bewundern wir nahe
bei der Stadt präromanisehe Bauten: Santa María del Naranco und San Miguel de
Liño. Von 810 bis 924 ist Oviedo die Hauptstadt des christlich-asturischen
Widerstandes gegen die Mauren. Es ist fast unglaublich, daß in diesen kriegerischen
Zeiten ein Bau von so edler, zarter Schönheit wie die Königshalle auf dem
Naranco, die westgotisch inspirierte Sommerresidenz Ramiros I., die spätere
Kirche der Santa Maria, entstehen konnte! Unsere so absoluten Kategorien, unser
„Entweder — Oder“, versagen vor der Komplexität der Historie.
    Es ist so wichtig in der
kriegerischen Geschichte Spaniens: die Kulturen haben sich nicht totgeschlagen.
Im Gegenteil. Heute will uns scheinen, sie haben sich ergänzt und befruchtet,
denn sie haben sich respektiert, toleriert, miteinander kommuniziert.

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