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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Malangré
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Grenzen des Alltags zu überschreiten, uns selbst zu
öffnen für Zugriffe der Erlebnisse und Erkenntnisse, die uns im Einerlei der
Haushalte und Berufe verlorengehen, die überdeckt werden vom Immer-wieder der
normalen Bedürfnisse.
    Das sagt nichts gegen eine
sorgfältige, unentwegte Pflichterfüllung im je gegebenen Pflichtenkreis. Das
sagt jedoch etwas für ein Ausbrechen aus diesem Kreis im notwendigen Moment.
Nach der Heimkehr mag der Pilger zeigen, was er gelernt hat!
    Wir gehen freiwillig auf die
Reise, wie wohl die allermeisten unserer Vorpilger. Das war früher nicht so bei
allen. Pilgerfahrt konnte auch vom Richter verhängte Strafe sein. Die
Bußwallfahrt war eine häufig geübte Form der Strafe, sehr sinnvoll im
mittelalterlichen Verständnis von Strafe und Sühne: Der Übeltäter wurde —
ähnlich wie bei der Verbannung — auf Zeit aus der Gemeinschaft, gegen die er
gefrevelt hatte, ausgestoßen. Die Gemeinschaft war von ihm befreit. Er bekam im
geistlichen Erlebnis der Wallfahrt die Chance zur Umkehr, zur Sühne. Er ging
auf Wallfahrt mit der richterlichen und eigenen Hoffnung, er werde „geläutert“
heimkehren. Ob das immer geklappt hat? Es ist jedenfalls interessant, schon im
mittelalterlichen Strafrecht Ansätze zur „Re-Sozialisierung“, von der heute so
viel gesprochen wird, zu finden.
     
    Auf vielen Bildern des
Mittelalters sind Jakobspilger dargestellt. Hansjörg Sing resümiert das
Wesentliche der äußeren Erscheinung:
     
    - Hut: ein breitkrempiger
Allwetterhut, dessen hochaufgeschlagene vordere Krempe die Pilgermuschel ziert.
     
    - Mantel: ein weiter,
regenfester Umhängemantel. Aus diesem für die „Pelerinage“ (Pilgerschaft)
typischen Kleidungsstück wird später die Pelerine.
     
    - Tasche: eine an langen Riemen
über der Schulter getragene Ledertasche, meist ebenfalls mit der Muschel
verziert.
     
    - Stab: der Pilgerstab dient
als Stütze, Waffe gegen wilde Tiere und Hilfe beim Überqueren von Bächen. An
ihm hängt eine Kalebasse als Trinkgefäß. 27
     
    Genauso finden wir auch Jakobus
in dem Teil seiner Bilder und Plastiken dargestellt, der ihn als Apostel und
Pilger gelten läßt und nicht als Matamoros für die Reconquista reklamiert. —
Noch ein Wort zur „Pilgermuschel“, die Sing erwähnt, die wir auf vielen Bildern
als „Abzeichen“ des Jakobus und der Jakobspilger dargestellt finden und die uns
auch sonst als „Pilgersymbol“ begegnet: Gemeint ist biologisch der Pecten
jacobaeus, ein fächerförmig geripptes Schalentier, vorwiegend im Mittelmeer
vorkommend. — Ist hier symbolisch das Schwimmen durch das Mittelmeer gemeint,
wie bei Jakobus von Israel nach Spanien? Geht es gar, wie Hell vermutet, um
einen Beleg für die Herkunft der Jakobusreliquien aus der hellenistischen und
koptischen Welt — Katharinenkloster! — , wo das Muschelsymbol einen hohen
Stellenwert hatte? 28 — Freuen wir uns daran, bis zur Gaumenfreude der köstlichen und so gar nicht
asketischen „Coquille St.-Jaques“. Wir sind ja Gast auf Erden! — Die schönste,
höchste Transformation des Pilgerbildes erleben wir in Santo Domingo de Silos ; in dem Christus des Kreuzganges, der seinen Emmausjüngern im Habit des Jakobspilgers
begegnet.
    Helmut Deutz liest uns in Santo
Domingo de Silos vor dem herrlichen Halbrelief des „Christus als Jakobspilger“
eine Betrachtung vor, die er einmal für die Aachener Bistumszeitung geschrieben
hat:
    „Das Besondere, ja Einmalige
der Darstellung Christi im romanischen Kreuzgang des Klosters von Santo Domingo
de Silos ist darin zu sehen, daß der Künstler die Gestalt des auferstandenen
Herrn, der die zwei Jünger auf ihrem Weg nach Emmaus begleitet, als
Santiago-Pilger gekennzeichnet hat: Christus trägt auf dem Kopf eine
Pilgerkappe... in den Händen hält er den... Pilgerstab, vor allem zeigt die
umgehängte Pilgertasche auf ihrer Vorderseite und ihren Tragriemen die
Jakobsmuschel... Durch die Jakobsmuschel ist der Wanderweg Christi nach Emmaus
in Beziehung gesetzt zur Wallfahrtsstraße nach Santiago. Die Pilgerfahrt zum
Jakobusgrab, die große ,Wallfahrt des Mittelalters’ (Hell), wies letztlich über
sich selbst hinaus: Sie war Symbol der Lebenspilgerschaft des Christen auf
seinem Weg zur Vollendung bei Gott. Diese Sinngebung der Wallfahrt macht den
Santiago-Pilger Christus... zum Vorbild der irdischen Wanderschaft des Menschen
schlechthin.“ 29
     
    Was haben wir jetzt für
„Pilgertypen“ beieinander? — Sie reichen vom verurteilten

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