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Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela

Titel: Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Malangré
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Leiblichkeit zurückfindende unzerstörbare Seele.
    So sind dann toter Erdenleib
und seine spärlichen und fraglichen Reste als übriggebliebene Teile der
„materia prima“ sozusagen auch Bausteine der Auferstehung. Wie das geschehen
kann, ist noch ein Geheimnis Gottes. Wichtig und unzerstörbar bleibt das ganz
persönliche „Bild“, das einst durch und mit Seele leiblich geprägt wurde.
    Reliquie bedeutet demnach
nichts ohne das, was sie abgegeben hat in eine andere Dimension des Seins. Nur
aus dem Reflex dieser neuen Seinsdimension wird sie verehrungswürdig; denn
dieser Reflex zielt ab auf die Heimholung in neue, verklärte Wirklichkeit.
    Wenn ich den Jakobusweg so
sehe, dann wird er eine große Apotheose der Auferstehung; dann sind die Tympana
und Plastiken von der Kreuzabnahme, der Himmelfahrt, der Herabkunft des
Geistes, der Freude himmlischer Wesen über den „heimgekehrten“ Sohn Gottes,
auch vom Gericht über uns alle, vom himmlischen Gastmahl und vom Einzug der
Völker in das Gottesreich, dann ist auch der pilgernde Jesus mit den
Emmausjüngern eine ganz große Vergegenwärtigung ewigen Lebens. Reliquie und
Auferstehung, armseliger Knochenrest und ewiges Leben — ihr Zusammenhang und
dessen Verheißung kann eine Predigt des Pilgerweges nach Santiago sein.
    Doch gleichzeitig ist etwas
passiert, und es passiert immer neu, schöner, anders: wir Menschen waren mit
den „Resten“, den „Überbleibseln“, den Reliquien nicht zufrieden. Wir spürten
ihr Ungenügen, ihre Vorläufigkeit, ihren zu geringen Annäherungswert. Darum
gestalteten und gestalten wir selbst das, was man „Kunst“ nennt, Kunst nicht
nur als Schmuck, nicht nur als beherrschte ästhetische Form, sondern als
Ausdruck geistiger, religiöser Inhalte; Kunst als Annäherung an „das Heilige“.
    Die Cámara Santa von Oviedo hat
uns als Beispiel gedient für die Frage nach dem Zusammenhang von „dem Heiligen“
und den Reliquien. Sie könnte uns auch helfen, die Berührungen zwischen „dem
Heiligen“ und der Kunst ein wenig anzudeuten.
    „Das Heilige im Sinn der
Religionswissenschaft umfaßt alles, worin der Mensch eine Berührung und
Beziehung mit dem Göttlichen erfährt und was Gegenstand seiner religiösen
Scheu, Ehrfurcht und Verehrung ist. Die Modalitäten und Formen des Heiligen
sind von fast unübersehbarer Mannigfaltigkeit.“ 80
    Fast unübersehbare
Mannigfaltigkeit der Formen — das schließt die Kunst gewiß mit ein. — „Das
Heilige darf... nicht als ein Neutrum oder ein Abstractum verstanden werden. Es
ist eine Wirklichkeit, die alle Vollkommenheiten personaler Existenz in sich trägt:
Bewußtheit und Freiheit, Freude und Glück, schenkende und selige Liebe. Der
Anruf, den das Heilige für den Menschen bedeutet, hat deshalb eine personale
Autorität und Würde und will durch eine personale Stellungnahme beantwortet
werden.“ 81
    Diese Worte muß man schmecken,
genießen, kosten: Wirklichkeit der Bewußtheit und Freiheit, der Freude und des
Glückes, der schenkenden und seligen Liebe — das ist der personale Gehalt der Heiligkeit.
Da wird deutlich, wie sehr es sich lohnt, nach Heiligkeit zu streben, an der
Heiligkeit teilzuhaben...
    Wir sind noch bei der
Schatzkammer der Kathedrale von Oviedo, der Cámara Santa. Helmut Domke: „Die
Cámara Santa ist die Herzkammer Spaniens.“ 82 Ehe ich jetzt fortfahre, muß ich ein
Geständnis machen: Ich selbst bin noch nicht in der Cámara Santa gewesen. Wohl
habe ich die frühromanischen Bauten auf dem Monte Naranco gesehen, die schon
mehrfach genannte Kirche San Miguel und die Königshalle Ramiros I. ; aber in der Kathedrale von Oviedo ist nur meine Sehnsucht präsent, nicht mein
reales Erleben. So gerne möchte ich die sechs Apostelpaare sehen, welche den
frühromanischen Innenraum der hochgelegenen, rundgewölbten Schatzkapelle
schmücken. Domke vergleicht sie mit Bamberg und, was hier wohl wichtiger ist,
mit dem Portico de la Gloria von Santiago.
     

    Carrión de los Condes, Christus
als Weltenrichter
    Miraflores, Abendmahl in der
Altarwand (Jakobus neben Christus!)
     
     

    Santiago, Blick auf die
„Stadtkrone“
     
    Astorga, Römische Mauer,
Kathedrale und Bischofspalast
     
    Während ich dies schreibe,
liegt vor mir ein farbiges Foto des „Cruz de la Victoria“, des Siegeskreuzes
Don Pelayos, das er in der sagenhaften Schlacht von Covadonga (718) getragen
haben soll. Helmut Deutz hat es mir während unserer Reise geschenkt. Überreich
ist das Kreuz mit

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