Auf Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela
Edelsteinen geziert. Erst in unserer Zeit (1978) wurde es
geraubt, zerstückelt, geplündert und wieder restauriert. Dem „Cruz de los
Angeles“ aus dem 9. Jahrhundert erging es ebenso. — Diese beiden Kreuze bilden
mit der „Area Santa“, dem silbergetriebenen Reliquienschrein, die „Herzstücke“
der „Herzkammer Spaniens“.
Da haben wir denn Reliquien und
Kunst wieder beieinander. Beide sind Manifestationen des Heiligen, Andeutungen,
echt und unecht, historisch wahr, geplündert und restauriert, neu geformt,
verändert, vom Geist bewahrt und eben diesen Geist verkündigend...
Im Katalog der Kölner
Ausstellung „Ornamenta Ecclesiae“ finden sich Hinweise, die weiterhelfen:
„Heiligkeit kann also den raumzeitlichen Erscheinungsformen inne sein.
Heiligkeit... ist aber in all ihren wechselnden Gestalten immer in das
historische Netzwerk sozialer Einflüsse verwoben. Dies ist der Grund, auf dem
unaufhörlich die moralischen, spirituellen, juridischen und politischen Kämpfe
um Wert, Geltung und Wirksamkeit von Symbolen, die das Heilige repräsentieren,
ausgetragen werden.“ 83
Halten wir diese Formulierung
fest und bemerken wir ihre „Bauteile“:
- die Kämpfe:
moralische,
spirituelle,
juridische,
politische.
- die Ziele:
Wert,
Geltung,
Wirksamkeit
von Symbolen, die das Heilige
repräsentieren.
Das Spannungsfeld dieses
Katalogs ist genau das, was in diesem Buch hinterfragt und ein wenig erhellt
werden soll. Dabei geht es nicht um einen historischen „Punkt“, sondern um ein
historisches „Feld“, um eine geistesgeschichtliche Landschaft, um den
„spanischen Weg“, der urchristliche Tradition, islamische Überlagerung,
katholische Reconquista und atlantische Conquista über die Ozeane hinweg mit
deutscher Reichsgeschichte, mit Karl dem Großen, mit Barbarossa, mit
Reformation und Inquisition verbunden hat zu dem faszinierenden Reigen
abendländischer Geschichte, die wir eben nicht einengen dürfen auf die
römisch-germanische Linie. Heiliges geschieht nicht im luftleeren, abstrakten
Raum, sondern im Widerstreit unserer irdischen Relationen. „Die Vielzahl
kollektiver Aufbrüche in allen Kontinenten, die Neuintegration von Traditionen,
das kulturelle Bewußtsein der Modernität in Kunst und Literatur: das alles
erweist, daß auch inmitten eines dramatischen Wirbels von Veränderungen und
Hypothesen Bilder und Zeichen entstehen, die... daran erinnern, daß das
Schaffen von Symbolen wesentlich zum Menschen gehört.“ 84
Im „mundus symbolicus“, in der
von Symbolen geprägten und Symbole prägenden Welt der christlichen Spätantike
und des Mittelalters, ist „profaner, im ursprünglichen Sinn ungeweihter Raum
stets vom heiligen Raum überwölbt; heilige Zeit umschließt stets die profane
Zeit, die Grenzen zwischen beiden Bereichen sind durchlässig und können
schwinden und schwingen“ 85 .
Genau das meint Romano
Guardini, wenn er schreibt: „Der mittelalterliche Mensch sieht überall Symbole.
Das Dasein besteht für ihn nicht aus Elementen, Energien und Gesetzen, sondern
aus Gestalten. Die Gestalten bedeuten sich selbst, aber, über sich selbst
hinaus, Anderes, Höheres; zuletzt das Eigentlich-Hohe, Gott und die ewigen
Dinge. So wird jede Gestalt zum Symbol. Sie weist über sich hinaus. Man kann
auch, und richtiger, sagen: sie kommt von über sich herab, von jenseits ihrer
hervor. Diese Symbole finden sich überall: im Kult und in der Kunst; im
Volksbrauch und im gesellschaftlichen Leben.“ 86
Guardini spricht von den
Gestalten des Mittelalters. Aber wenn wir daran denken, „daß auch inmitten
eines dramatischen Wirbels von Veränderungen und Hypothesen Bilder und Zeichen
entstehen, die daran erinnern, daß das Schaffen von Symbolen wesentlich zum
Menschen gehört“ 87 ,
ist dann nicht die ganz wichtige Einladung und Aufforderung an den modernen
Menschen ausgesprochen, sich der Erkenntnis gegebener und der Schaffung neuer
Symbole nicht zu versagen? — Bei Dante lesen wir:
„Dort oben ist das Gut
unsagbar, ohne Grenzen.
Die Liebe kommt herzu zur
Seligkeit
Wie Sonnenlicht zu Körpern, die
schon glänzen,
Und soviel Glut empfängt es, wie
es auch verleiht;
So auch die Liebe, die je mehr
ihr Streben Sich ausdehnt, mehr an ewiger Kraft gedeiht,
Je mehr gegenseitig sich
verstehen in jenem Leben,
Je mehr des Guten auch, je mehr
liebt man das Gut,
Und gibt’s einander, wie die
Spiegel geben.“ 88
Wir wollten über „das
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