Auf Schreckenstein geht's lustig zu
einem geeigneten Platz für den Hochsitz suchten. So legten sie an einer günstigen Stelle nochmals an. Ihre durchnässten Kleider ließen sie am Strand in der Sonne zum Trocknen zurück. Nur mit einer Badehose bekleidet, machten sie sich auf die Suche nach einem guten Platz für den Hochsitz.
Da Stephans Vater Jäger war, hatte auch der Sohn einige Kenntnisse auf diesem Gebiet, die für den Zweck ausreichten.
„Wie weit willst du denn noch latschen?“ fragte Ottokar, der die lange Säge trug.
„Ich suche einen Wildwechsel“, antwortete Stephan.
Sie traten auf eine schmale Lichtung, und Stephan hielt nach Spuren Ausschau.
„Hier!“ rief er plötzlich und zeigte Ottokar eine Art Trampelpfad, der aus dem Wald, über die Wiese und wieder in den Wald führte.
Sie maßen eine Entfernung von fünfzig Metern aus und fanden einen Baum, der in etwa drei Meter Höhe eine Astgabelung aufwies.
„Hier kommt der Hochsitz hin“, erklärte Stephan, „da hat Mauersäge eine prima Sicht.“
Sie markierten die Stelle sowie den Weg dorthin durch Kerben an den Bäumen. Am Ufer bauten sie noch eine kleine Steinpyramide, um den Platz vom See aus leichter finden zu können. Dann zogen sie ihre getrockneten Kleider wieder an und machten sich auf den Heimweg. Während der ganzen Fahrt sprachen sie kaum ein Wort. Sie konnten die Reaktion der Mädchen einfach nicht begreifen. Sie hatten doch zu ihrer Tat gestanden und den Unschuldigen die Strafe abgenommen. Stephan ärgerte sich noch nachträglich über die Blonde mit dem Wuschelkopf, diese Beatrix. Ausgerechnet sie hatte ihn einen Feigling genannt. Das hatte bisher niemand gewagt.
Ottokar, der vorne saß und für den Kurs verantwortlich war, drehte sich nur selten zu dem schlecht gelaunten Stephan um. So kam es, dass sie erst unmittelbar vor dem Anlegen bemerkten, wer sie erwartete: der Rex. Mit steinernem Gesicht stand er auf dem Steg und schaute auf die Schwergeprüften herab.
Jetzt wäre ein U-Boot gut, dachte Stephan. „Wir haben einen prima Platz gefunden, Herr Meyer“, verkündete Ottokar, als ließe sich seine Begeisterung nicht länger zurückhalten.
„Und ich habe inzwischen einen prima Anruf bekommen“, antwortete der Rex schneidend. „Kommt mal mit!“
Stephan und Ottokar zogen die Köpfe ein, und so langsam und sorgfältig sie den Kahn auch festbanden, es half ihnen nichts, sie mussten mit.
„Gerade von euch hätte ich Besseres erwartet, als in eine Mädchenschule einzusteigen“, fuhr er fort, während sie über den Steg gingen.
Hinter der Ecke des Bootshauses stand grinsend — Dampfwalze. Er musste alles gehört haben und freute sich über die Blamage.
Im Arbeitszimmer des Rex saß bereits Doktor Waldmann, der sie ebenfalls kühl und mit einem stummen Kopfschütteln empfing. Der Rex nahm an seinem Schreibtisch Platz und zündete sich eine Pfeife an. Die beiden blieben stehen.
Wenn er raucht, wird’s nicht so schlimm, dachte Stephan.
Als die Pfeife endlich brannte, sagte der Rex: „Fräulein Doktor Horn rief mich heute Nachmittag an. Ihr habt die ganze Schule in eine schwierige Lage gebracht. Doch bevor ich mich hierzu äußere, möchte ich hören, was ihr dazu zu sagen habt.“
Hier ist es also nichts mit der „Kriegskunst“, dachte Stephan, der Rex ist ein ganz schlauer Verhandler.
Wie schon drüben, begann Ottokar mit einer Abschwächung: „Wir haben uns zuerst bei Fräulein Doktor Horn entschuldigt, und dann wollten wir mit der Arbeit am Hochsitz anfangen.“ Stephan beneidete ihn insgeheim um sein dickes Fell.
„Eure Arbeit am Hochsitz hat niemand bezweifelt. Aber bleib bitte bei der Sache“, nagelte ihn der Rex fest.
Da wurde Stephan wieder ganz ruhig. Jetzt war er dran. Er musste die Sache herausreißen, ganz allein. Ottokar war als Bastler nicht zu schlagen, wenn es galt, technische Schwierigkeiten zu überwinden, aber reden, verhandeln, das konnte er besser. So ergänzten sich die beiden Freunde, und damit hatten sie auch seinerzeit die Schule gerettet.
„Wir haben zwei Fehler gemacht“, begann Stephan, „erstens, dass wir drüben eingestiegen sind, und zweitens, dass wir’s Herrn Doktor Waldmann nicht gleich gesagt haben.“
„Wenn das so einfach wäre!“ unterbrach ihn der Rex. „Meine ganze Pädagogik habt ihr in Frage gestellt!“ Er ging erregt im Zimmer auf und ab. „Ihr wisst genau: ich lasse euch hier mehr Freiheiten, als das in irgendeiner anderen Schule der Fall ist. Schlägt mal einer über die Stränge,
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