Auf Schreckenstein geht's lustig zu
Vorkommnisse automatisch den beiden zugeschrieben. Fräulein Doktor Horns scharfes Regiment verhinderte jegliches gute Einvernehmen zwischen Lehrern und Schülern. Von vornherein war alles verboten.
Doch eine Lehrerin gab es, zu der die Mädchen Vertrauen hatten, mit der sie über alles sprechen konnten und die viel lieber Kameradin als Respektsperson sein wollte: Sonja.
Sie hatte es in kurzer Zeit fertiggebracht, nicht durch Strenge, sondern durch Verständnis die Achtung aller zu gewinnen. Durch ihren Vater und nicht zuletzt durch Stephan und Ottokar hatte sie eine modernere Auffassung von Schule, und der Erfolg gab ihr recht. Sie liebte Menschen, die einen Willen und eine eigene Meinung haben, die auch mal über die Stränge schlagen, und nicht die farblosen ewig Braven.
Aus diesem Grund verstand sie sich mit den beiden „Wilden“ natürlich am besten. Bei denen war immer etwas los. Beatrix hatte eine kleine Harmonika, auf der sie recht gut spielte, und Ingrid hatte eine ausgesprochene Begabung für das Komische.
Wenn sie abends in Schlafsaal III ihre Lehrerinnen nachmachte, bogen sich die Mädchen vor Lachen.
Doch, wie gesagt, Beatrix sann auf Rache. Eines Abends erkundigte sie sich bei Sonja auffallend eindringlich nach dem Leben auf der Burg: „Und der Rex drüben ist wirklich so großzügig, wenn die Streiche lustig sind?“
„Ja“
„Der würde auch nicht hier anrufen, wenn wir...“
Jetzt war die Katze aus dem Sack.
„Wollt ihr etwa...?“ fragte Sonja erschrocken.
„Natürlich wollen wir“, antworteten Beatrix und Ingrid, „und Sie sollen uns dabei helfen.“
„Kommt gar nicht in Frage“, erwiderte Sonja.
Aber da kam Beatrix erst richtig in Feuer: „Wir können es doch nicht auf uns sitzen lassen, dass zwei Jungens hier einfach einsteigen. Und schon gar nicht, dass mich einer ,Blöde Kuh’ heißt.“
„Aber Beatrix, nimm doch Vernunft an“, versuchte Sonja den ungebärdigen Wuschelkopf zu besänftigen, „wenn Fräulein Horn das erfährt, ist es aus.“
„Wie soll sie’s denn erfahren, wenn der Schulleiter von drüben nicht anruft? Außerdem traut uns das kein Mensch zu, und das ist gerade der Reiz. Wir rudern rüber und stellen den ganzen Laden auf den Kopf.“
„Was Jungens können, können wir schon lange“, fügte Ingrid zur Bekräftigung noch hinzu.
Sie schilderten ihr Vorhaben in den schönsten Farben, so dass Sonja richtig Lust bekam. Sie war selbst noch viel zu jung, um das Unternehmen sofort und unangefochten ablehnen zu können. Aber sie war auch Lehrerin, wenngleich sie sich jetzt überhaupt nicht so vorkam. Deshalb sagte sie: „Ich glaube, es geht doch nicht, denn erstens ist mein Vater drüben Lehrer, und zweitens bin ich mit den Jungens befreundet.“
Ingrid ließ nicht locker: „Und jetzt sind Sie hier Lehrerin und mit uns befreundet.“
„Jawohl“, unterstrich Beatrix noch, „wir Mädchen müssen doch zusammenhalten.“
Sonjas Widerstand war besiegt. „Gut, ich helfe euch, unter einer Bedingung: Was drüben gemacht wird, bestimme ich und... wir dürfen nicht zu viele sein.“
„Einverstanden“, wisperte Beatrix, die nicht mehr zu halten war und vor lauter Freude, wie beim Seilspringen, auf der Stelle hüpfte. Der Gedanke, sich für Stephans Beschimpfung rächen zu können, beflügelte sie offenbar so sehr, dass sie schon jetzt in die Luft ging.
Alles wurde bis ins kleinste vorbereitet.
Die drei wollten nur noch Renate, Eva und Sophie mitnehmen. Diese Mädchen waren ebenso kräftig wie verschwiegen.
Falls ihre Abwesenheit bemerkt werden sollte, einigten sie sich auf die Ausrede „nächtliches Bad“. Das war schon einmal vorgekommen und verhältnismäßig milde bestraft worden.
Also ruderten die mutigen sechs in zwei Kähnen bei sternklarem Nachthimmel über den Kappellsee. Sie trugen Pullover, lange Hosen und Turnschuhe und hatten neben Taschenlampen für alle Fälle ein sehr langes Wäscheseil mitgenommen. Ganz kühn legten sie am Bootssteg an, was auch das Gescheiteste war, denn unter den vielen Kähnen der Schreckensteiner fielen ihre beiden gar nicht auf.
Wie ein schlafender Bär lag die Burg auf dem Hügel. Sonja ging voran. Sie benutzte den normalen Weg. Um diese Zeit war hier keine Gefahr zu erwarten. Sie erinnerte sich eines Ausspruchs von Ottokar: „Das Burgtor knarrt, wie wenn Dampfwalze schnarcht“ und wählte den schmutzigen, aber sicheren Weg durch den Heizungskeller. Von da aus konnte man durch die alte Mostpresse über
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