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Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Titel: Auf Schreckenstein geht's lustig zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Neugier und Aufregung jede Vorsicht außer acht lassend, griff sie nach dem Instrument, dessen Besitzer keine vier Meter von ihr entfernt hinter der gegenüberliegenden Tür in seinem Bett lag und den tiefen Schlaf eines heranwachsenden Ritters schlief. Doch so tief schlief er gar nicht! Die noch nicht restlos verschmerzte Niederlage und ihre durch Dampfwalze geschürten Folgen, ganz besonders aber die Erinnerung an diese Beatrix, die ihm sein ritterliches Eingeständnis so undankbar vergolten hatte... das alles beschäftigte Stephan mehr, als er sich eingestand, und dies wirkte nachteilig auf seinen sonst sehr gesunden Schlaf.
    Beatrix hatte in ihrer Aufregung das Instrument statt an den Riemen völlig unfachmännisch am Bassgurt und der Tastatur herausgezerrt und zählte die Bässe und Register. Dabei öffnete sich der obere Balgverschluss, was sie jedoch nicht sofort bemerkte. Ihr rechter Mittelfinger war in die tiefe A-Taste verkrallt, und so ließ sich plötzlich dumpf gurgelnd dieses „A“ vernehmen.
    Oh, dachte Stephan im Halbschlaf, das war doch mein Akkordeon? Wie der Blitz sauste er aus dem Bett und tastete sich — jetzt hellwach — zur Tür.
    Sicher ein Racheakt von Dampfwalze, kombinierte er, und seine Muskeln begannen sich zu straffen.
    Vorsichtig öffnete er die Tür und lugte hinaus: Tatsächlich: da stand eine gebückte Gestalt vor seinem Akkordeon.

    Mit einem Panthersprung riss er den Kerl in den Schwitzkasten und schleuderte ihn — vom Instrument weg — nach links zu Boden. Doch als seine Hand dem Gegner an die Kehle fuhr, zuckte sie unwillkürlich zurück. Dieser schlanke Hals konnte unmöglich Dampfwalze gehören, auch nicht Klaus und Mücke — ja nicht einmal dem zarten Streber Strehlau, der sich außerdem nie an seinem Instrument vergriffen hätte.
    Da gab der Gegner ein leises helles Stöhnen von sich. Stephans Pupillen hatten sich inzwischen an den matten Schein der Sparfunzel gewöhnt. Trotzdem glaubte er seinen Augen nicht zu trauen und beugte sich tiefer, um das Gesicht zu sehen. Tatsächlich! Die verwünschte Beatrix!
    „Du Giftschlange!“ zischte er, und der ganze Groll stieg wieder in ihm auf. „Wie kommst du denn hierher?“ „Au, du tust mir weh“, stöhnte sie. Stephan hatte noch nie mit einem Mädchen gerungen und daher kein Maß. Er hielt sie an den Schultern fest und überlegte. Was sollte er tun? Die anderen wecken? Auf keinen Fall! Das hätte seine Lage nur verschlechtert.
    „Willst du wohl aufhören“, zischte er plötzlich. Beatrix hatte ihn in die Hand gebissen. Sie musste weg hier. Aber wie und wohin? Das knarrende Burgtor... ihre Gegenwehr... was geschah, wenn sie schrie? Solche Gedanken durchzuckten ihn.
    Nein! Er musste Zeit gewinnen. Erst in Ruhe überlegen und dann handeln. Sollte er Ottokar wecken? Wenn der, schlaftrunken, laut reden würde und die anderen aufwachten... Unmöglich!
    Also stand er auf, zog die Widerstrebende an der Hand hoch, drehte ihr den Arm mit einem Polizeigriff auf den Rücken und schob sie kurzerhand in seinen Schrank. Dass der leer war, fiel ihm in der Dunkelheit gar nicht auf.
    Behutsam nahm er sein Akkordeon, trug es ins Zimmer, zog seinen Trainingsanzug über und Turnschuhe an. So ausgerüstet, öffnete er den Schrank wieder, nahm das Mädchen in den alten Griff und schob sie vor sich her.
    „Wenn du schreist, kommst du in die Folterkammer!“ warnte er vorsorglich! Als sie an der Treppe angelangt waren, blieb Beatrix stehen. Offenbar hatte sie Angst, die dunkle Stiege hinunterzugehen.
    „Wenn du mich loslässt, sag ich dir was“, flüsterte sie.
    „Wenn ich dich loslasse, haust du ab“, gab Stephan zurück. „Nee, du kommst schön mit!“ Damit zerrte er sie in den kleinen Raum unter der Treppe zum Speicher, den er sich mit Ottokar als Hauptquartier für ihre nächtlichen Unternehmungen eingerichtet hatte. Alles war da: Licht, Tauchsieder, Kaffeekanne, Kekse, Stricke, Dietriche und Handschellen. Sogar ein altes Radio stand in der Ecke. Stephan knipste das Licht an und riegelte die Tür hinter sich zu. „So, jetzt kannst du reden! Setz dich!“
    Beatrix gehorchte widerstrebend und rieb sich die vom Polizeigriff schmerzende Schulter. Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander.
    Komisch, dachte Stephan, da ärgert man sich bucklig wegen dieses Mädchens und auf einmal ist sie da, mitten in der Nacht, und will mein Akkordeon klauen! Davon war er fest überzeugt, und dieser Gedanke brachte ihn zum Reden: „Du wolltest

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