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Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Auf Schreckenstein geht's lustig zu

Titel: Auf Schreckenstein geht's lustig zu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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gegen Morgen ein schwerer Landregen niederging. Dann endlich schlief er unter dem gleichmäßigen Rauschen ein.
     
     
     

Stephan muss Farbe bekennen
     
    Strehlau bemerkte es als erster. Er hatte in dieser Woche den Weckdienst. Er musste früher aufstehen, durch die Stuben gehen und die anderen wecken. Schlaftrunken trat er an seinen Schrank, um die Turnhose für den morgendlichen Dauerlauf herauszuholen, fand jedoch nur seine Noten. Als bester Schüler war er Kummer gewöhnt und glaubte, irgend jemand habe sich einen schlechten Scherz erlaubt.
    Nur nichts anmerken lassen, dachte er, ging ins Zimmer zurück, um seinen Bademantel zu holen, und lief mit dem gewohnten Ruf „Aufstehen“ von Tür zu Tür.
    Doch bald war der Teufel los. Mürrisch und verschlafen kamen die Ritter an ihre Schränke — kurzer Schreck, dann schimpften sie wie die Rohrspatzen. Auch Stephan und Ottokar machten da keine Ausnahme, was ein Glück für sie war, denn nach den letzten Ereignissen fiel der erste Verdacht natürlich auf sie. Dampfwalze kam höchst persönlich, um nachzusehen. Als er jedoch feststellen musste, dass ihre Schränke genauso leer waren wie seiner, trollte er sich wieder davon.
    So ein Biest, die war bestimmt nicht allein, kombinierte Stephan sofort. Er bewunderte den Mut des blonden Wuschelkopfes. Das hätte er ihr nicht zugetraut. Ottokar beobachtete argwöhnisch das Mienenspiel des Freundes. „Nachher erzähl ich dir was“, raunte Stephan ihm zu. „Okay“, gab er brummend zurück.
    „Da“, rief Mücke plötzlich, als die Jungen sich — in Schlafanzughosen — auf dem Hof zum Dauerlauf einfanden. Er deutete starr nach oben. Quer über den Hof, vom Burgfried zu dem alten Wehrgang, war ein Seil gespannt, und daran hingen in bunter Reihenfolge, von der Hose bis zum letzten Taschentuch, die Kleider der staunenden Ritter.
    „Mich laust der Affe!“ sagte Stephan. „Wie haben die das nur raufgebracht?“ Doch da sah er, fein säuberlich über das Geländer des Wehrganges gelegt, den Flaschenzug, der sonst am dritten Stützpfosten hing. Seine Achtung vor den schneidigen Mädchen wurde dadurch nur noch größer.
    „Schweinerei“, brüllte Dampfwalze plötzlich, der unter dem Seil stand, um seine Sachen herauszufinden, „das Zeug ist ja nass!“
    Tatsächlich, die Kleider tropften, langsam und gleichmäßig, dass man mitzählen konnte, wie bei einer Medizinflasche.
    Jetzt war die Stimmung auf dem Nullpunkt. Doch da kein Mensch auf den Gedanken kam, dass Mädchen zu so etwas überhaupt imstande wären, beobachtete jeder jeden mit Argwohn.
    Als der Rex zum Frühstück kam, staunte er nicht schlecht. Seine Zöglinge standen in Schlafanzügen, Trainingshosen und Bademänteln hinter ihren Stühlen und warteten, dass er sich setze. Doktor Waldmann, der die Zusammenhänge zu ahnen schien, wies zum Fenster. Der Rex folgte ihm und schaute hinaus. Auch er verkniff sich ein Lachen, schüttelte nur den Kopf und sagte: „Nun gut, dann bleibt ihr eben so.“ Damit war der Fall für ihn erledigt.
    „Der findet das auch noch witzig!“ knurrte Dampfwalze und schob sich einen großen Löffel Haferflockensuppe in den Mund.
    „Klar“, erwiderte Mücke ebenso zerknirscht, „ist ja auch nichts kaputtgegangen.“
    Hätte an diesem Vormittag ein Fremder dem Unterricht beigewohnt, er wäre schnurstracks zum Kultusminister gelaufen, um zu fordern, diese unmögliche Schule sofort zu schließen. Es war aber auch ein grotesker Anblick. Die Ritter, die im Unterricht sowieso nicht immer den wachsten Eindruck machten, sahen in ihren Schlafanzügen noch abwesender aus als sonst. Dazu die finsteren Mienen; denn nach langem Rätselraten, wer ihnen diese Schmach angetan haben könnte, blieb der Verdacht schließlich bei den Lehrern hängen. So etwas war auf Schreckenstein durchaus möglich. Doktor Waldmann hatte schon einmal eine besonders faule Klasse mit einer angeblichen Prüfungskommission drangekriegt: Nach einer Woche wilder Büffelei war die Klasse bestens vorbereitet zur Prüfung erschienen, worauf sich der anwesende Herr Ministerialrat dann als der Koch Heini entpuppte, der sich einen Spitzbart ins Gesicht geklebt hatte. In Erinnerung an diesen Vorfall war die Annahme gar nicht so abwegig, zumal die Kleider aller Jungen am Seil hingen. Das Verhältnis Lehrer - Schüler war also merklich kühl. Wer etwas gefragt wurde, antwortete knapp und sachlich. Außerhalb des Unterrichts jedoch sprach keiner mit dem anderen. Die Lehrer bemerkten

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