Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß
ein Ausgleichstraining für die Beine. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gern mal eine Runde drehen.“
Zuerst gab es Andi einen Stich. Der Gedanke, Dampfwalze auf seinem kostbaren Rennrad irgendwo unterwegs zu wissen, war ihm schmerzlich. Er konnte nein sagen. Das hätte jeder verstanden. Auch Dampfwalze. Aber er wollte nicht unkameradschaftlich sein, keiner von denen, die auf ihren Habseligkeiten sitzen und niemanden ranlassen.
„Meinetwegen“, sagte er. „Aber gib am Anfang acht mit den dünnen Reifen! Daran bist du nicht gewöhnt.“ Und er erklärte ihm, wie er zu lenken, zu bremsen und zu schalten habe, zog die Riemen an den Fußhaken fest, schob ihn an und drückte gewohnheitsmäßig auf die Stoppuhr.
Dampfwalze rollte über die Zugbrücke und zickzackfahrend den Berg hinunter. Von hinten sah es aus, als müsse er jeden Augenblick herunterfallen. Schon tat es Andi leid, dass er so gutmütig gewesen war. Aber dann dachte er an seine eigenen ersten Versuche auf dem Rennrad. War er nicht auch in Schlangenlinien gefahren, bis er das richtige Gefühl für das ungewohnt leichte Rad bekam? Und da war noch ein Gedanke, der ihm über die Wartezeit hinweghalf: Wenn sich Dampfwalze für den Radsport interessiert, bin ich nicht mehr der einzige! Und wenn wir erst mal zu zweit sind, werden sich bald noch mehr finden, die mitmachen!
So sehr diese Vorstellung Andi anfangs beflügelte, so wurde er doch bald recht kleinlaut und besorgt. Dampfwalze war schon eine halbe Stunde weg. Wenn er um den Kappellsee fuhr, konnte er freilich noch nicht zurück sein. Und er würde sicher um den See fahren, sagte sich Andi. Dazu hatte er viel zu ausführlich von der phantastischen Trainingsstrecke geschwärmt. Dieser Gedanke ließ ihn wieder hoffen, dass sein kostbares Rad doch noch heil sein könnte. Zudem wäre es ja ganz interessant, einmal den Zeitunterschied zu stoppen. Nach einer Stunde und acht Minuten rollte Dampfwalze völlig erschöpft in den Burghof, stieg vom Rad und konnte nicht mehr gehen.
„Mann, das ist vielleicht ein Schlauch!“ keuchte er. „Vor allem der Sattel! Wie hältst du das bloß aus auf diesem alten Brötchen?“
„Alles Gewohnheit“, sagte Andi. „Das merkst du bald nicht mehr.“
Dampfwalze streckte sich und ruderte mit den Armen.
„Kreuzweh kriegt man auch. Und am Berg hängt einem die Zunge raus, man denkt, es sauge einem jemand mit dem Strohhalm die Kraft aus den Beinen. Aber sonst ist das eine prima Sache!“
Sportreportage
Andi saß beim Mittagessen und futterte schon die dritte Portion Astronautencreme. Alle andern am Tisch waren längst fertig.
„Friss bloß nicht den Teller mit!“ raunte Mücke hinter ihm. Er hatte Abräumdienst und wartete auf Andis Teller.
„Gleich“, antwortete Andi. Es klang wie das Blubbern einer dicken Suppe beim Kochen. Rasch leerte er den Teller.
Mücke wartete geduldig. „Ich möchte dich nachher sowieso sprechen.“
Andi konnte nur nicken, wartete aber nach Tisch verabredungsgemäß vor dem Esssaal.
„Sag mal“, begann Mücke. „Du bist doch nun schon eine ganze Weile in der Redaktion. Bis jetzt hast du nur technischen Kram gemacht. Bis auf den einen Satz neulich. Willst du nicht auch mal was schreiben?“
„Ich?“ Andi blieb der Mund offen stehen.
„Ja, du! Redaktionsmitglieder schreiben. Das ist bei Zeitungen allgemein üblich.“
Mücke hatte vollkommen recht.
„Aber worüber?“ fragte Andi.
„Worüber du willst. Vielleicht nicht gerade über das Wetter. Wie das ist, merken wir sowieso.“
„Sehr witzig!“ sagte Andi.
„Ja“, griff Mücke das Wort auf, „Es kann zum Beispiel etwas Witziges sein. Schreib über deine ersten Eindrücke hier!“ Und mit heller, weinerlicher Stimme fuhr er fort: „Als ich auf Burg Schreckenstein kam, habe ich erst mal eine ganze Nacht lang geweint...“
„Das heb dir auf für deine Memoiren.“ Andi gab ihm einen Rippenstoß.
„Lass mal! Da gibt es einige, auf die das passt. Also schreib, was du willst. Wenn dir gar nichts einfällt, mach eine Reportage. Was ich in zehn Tagen auf dem Schreibtisch habe, kommt in die nächste Nummer. Wenn du nichts lieferst, drucken wir einen Schulaufsatz von dir. Damit wir was zum Lachen haben.“ Mücke ließ ihn stehen.
Andi saß beim Abendessen und futterte schon die dritte Portion „Schwarzarbeiter ohne Knochen“, wie Frikadellen auf der Burg genannt wurden. Wieder waren alle andern am Tisch längst fertig. Nur er aß noch,
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