Auf Schreckenstein gibt's täglich Spaß
Aufschrei, und haarscharf flog die schwere Eisenkugel am Kopf des Musterschülers vorbei.
Der Kleinste, den sie Mücke nannten, schüttelte den Kopf. „Jetzt hast du dagestanden wie der müde Torwart von der Ebert-Schule.“
Schallendes Gelächter war die Antwort. Nur Andi in seinem Versteck bekam schmale Lippen. Nein, hierher konnte er nicht. Sie lachten ihn jetzt noch aus, wo in Neustadt keiner mehr daran dachte. Was er erfahren hatte, reichte ihm.
Als er sich gerade davonschleichen wollte, hörte er plötzlich ein vertrautes Geräusch. Es klang wie das Surren des Zahnkranzes an einer Rennmaschine.
„Schaut mal!“ sagte eine Stimme, während er seinen alten Beobachtungsplatz wieder einnahm. Andi stockte der Atem. Da saß ein Junge, der ihm ebenfalls bekannt vorkam, auf seinem kostbaren Rennrad und rollte zu der Kugelstoßanlage.
„Mann! Eine Rennmaschine!“ rief Mücke aufgeregt. „Hast du die von deiner Tante geerbt?“
„Nein, die hat mir der Nikolaus gebracht“, antwortete der Junge. „Ich will drüben die Futterkrippe reparieren, komme hin, denke, ich treffe ein liebes Rehlein, statt dessen lehnt da dieses Prachtstück!“
Die Kugelstoßer umringten ihn, zogen an den Felgenbremsen, nahmen Rennflasche und Zelluloidluftpumpe aus den Haltern und spielten mit der empfindlichen Gangschaltung. Die waren ja vollkommen verrückt! Am liebsten wäre Andi aufgesprungen, um das Rad ihren unkundigen Händen zu entreißen und davonzufahren. Aber er hielt sich zurück. Wenn er aus dem Gebüsch käme, würden sie sofort Verdacht schöpfen. Und sie waren in der Überzahl. Außerdem: Wie sollte er ihnen beweisen, dass es sich um sein Rad handelte? Hier konnte nur eine indianische Kriegslist helfen; Er musste aus einer anderen Richtung kommen, scheinbar suchend und schon von weitem sichtbar.
So rasch, wie es die Vorsicht zuließ, kroch er aus dem kugelrunden Busch, schlich an der Hecke entlang hinter dem alten Herrn vorbei, kroch zum Tor, rannte gebückt bis zur Ecke zurück und kam, sich eifrig umsehend, scheinbar vom See hinter dem Geräteschuppen herum zum Sportplatz.
„Gut, dass ich euch treffe!“ rief er nähertretend. „Mir ist hier mein Rad gestohlen worden.“
Diese forsche Einleitung sollte die Schreckensteiner einschüchtern. Sie reagierten auch ziemlich verblüfft. Nur Mücke hatte gleich eine Antwort bereit. „Hier wird nicht gestohlen. Das verbitten wir uns!“
Aber Andi ließ sich nicht beirren. „Wie ihr das nennt, interessiert mich nicht. Jedenfalls ist das da mein Rad. Und hier habe ich es nicht abgestellt, sondern auf der anderen Seite im Wald.“
Entschlossen griff er nach dem Lenker, zog die Maschine quer vor sich und brachte die Hebel der Gangschaltung wieder in die richtige Stellung.
„So ein Rad stellt man auch nicht in den Wald“, sagte Kugelstoßer Stephan barsch. „Was suchst du überhaupt hier oben bei uns?“
Jetzt musste Andi eine gute Antwort anfallen, wenn er sich nicht verraten wollte.
„Ich hab mich beim Training verfahren!“ antwortete er. „Außerdem kann es ja mal vorkommen, dass man sein Rad plötzlich in den Wald stellen muss.“
Mücke verstand sofort. „Ach so meinst du das!“ sagte er und deutete auf die Rennflasche. „Wenn du zum Training auch eine ganze Bar mitnimmst...“
Die anderen lachten; der kritische Punkt war überspielt. „Sag mal“, fragte Stephan und sah Andi forschend an. „Bist du nicht der komische Torwart von der Ebert-Schule?“
Es klang nicht, als ob er ihn damit kränken wollte. Andi blieb ruhig und antwortete mit einer Gegenfrage: „Dann bist du der Mittelstürmer, der mir vier Schüsse in den Kasten geknallt hat?“
Stephan nickte. „Ich heiße Stephan“, sagte er. Auch Andi nannte seinen Namen. Als letzter begrüßte ihn der Junge, der sein Rad gefunden hatte.
„Mich dürftest du auch kennen. Ich war bei dem Spiel rechter Läufer und heiße Ottokar.“ ‘ Dass er weitere drei Tore geschossen hatte, erwähnte er nicht, was Andi ihm hoch anrechnete. Auch für die andern war das Thema Handball erledigt. Sie zogen ihn nicht weiter damit auf, sondern ließen sich die Rennmaschine erklären. In der Burg läutete die Pausenklingel.
„Ganz interessant“, schloss Mücke. „Rennfahrer haben wir hier nämlich keinen.“
„Aber langweilig ist es deswegen nicht“, fügte Ottokar hinzu. Andi glaubte ihm aufs Wort. Die Gelegenheit, mehr über das Leben auf der Burg zu erfahren, war da, doch ihm genügte, was er gesehen
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