Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
nicht mehr recht nützlich machen kann.«
»Gott, ganz schön kompliziert, oder?«, sagte Brunetti und stützte beide Ellbogen auf den Tisch. »Hat denn niemand eine Ahnung, was sie damit macht?«
Vianello schüttelte den Kopf. »Keiner weiß was Genaues. Aber wenn sie sagt, es sei für einen guten Zweck, dann verschenkt sie es womöglich.« Diesmal unternahm er keinen Versuch, seinen Zorn zu verbergen, und schlug heftig auf den Tisch. »Das Dumme daran ist, dass ich ihr nicht einmal wirklich böse sein kann. Natürlich kann sie mit ihrem Geld machen, was sie will. Um das Geschäft aufzubauen, hat sie jahrelang geschuftet wie ein Tier und nie eine Lira dafür bekommen. Auch als es dann besser lief, hat sie weiter die Büroarbeiten erledigt. Und ist nie dafür bezahlt worden.«
Brunetti nickte.
»Das Geld steht ihr zu. Sowohl juristisch als auch… moralisch, falls man das so nennen kann.«
Brunetti sah das auch so.
»Aber…«, fing der Inspektor an und brach gleich wieder ab.
Brunetti versuchte den Satz für ihn zu beenden: »Aber ihre Familie hat ein Recht darauf, zu erfahren, was sie damit anstellt?«
»So könnte man sagen, ja. Mir gefällt das nicht, aber so ist es wohl. Nicht etwa, weil das Geld ihnen gehört. Das tut es nicht. Es gehört ihr. Das Beunruhigende ist nur, dass sie etwas zu verbergen hat.«
»Was haben deine Cousins jetzt vor?«, fragte Brunetti.
Vianello senkte den Blick. »Sie gehen ihr nach«, sagte er.
»Wie bitte?«
Vianello sah auf und erklärte trocken: »Ich glaube, die haben zu viele Krimis gesehen, oder so was. Sie haben mit dem Bankdirektor gesprochen. Der kennt die Familie seit dreißig Jahren. Hat alle ihre Bankgeschäfte erledigt.«
Vianello starrte seine Hände an, als sei einer der Finger der Bankdirektor und als wolle er sehen, wie der sich verhielt.
»Was haben sie ihm erzählt?«
»Von den Abhebungen, und dass sie ihnen verschweigt, wohin das Geld fließt.«
»Und?«
»Er hat gesagt, wenn sie das nächste Mal etwas abhebt, gibt er Loredano telefonisch Bescheid und verwickelt sie in ein Gespräch, um sie möglichst lange in der Bank festzuhalten.«
»Bis jemand von der Familie da ist und ihr nachschleichen kann?«, fragte Brunetti verblüfft. »Wollen sie Räuber und Gendarm spielen?«
Vianello schüttelte den Kopf und starrte weiter seine Finger an. »Wenn es so einfach wäre.«
»Das ist nicht einfach«, sagte Brunetti. »Das ist verrückt.«
»Das habe ich auch gedacht«, sagte Vianello. »Genau das habe ich zu ihnen gesagt.«
»Und?«
»Und jetzt wollen sie, dass ich das mache.«
Brunetti war sprachlos. Er sah seinen Freund an, der weiter seine Hände studierte. Schließlich sagte er: »Das ist noch verrückter.«
»Habe ich auch gesagt.«
»Lorenzo«, sagte Brunetti, »ich habe keine Lust, dir jeden Wurm einzeln aus der Nase zu ziehen. Was hast du vor?«
»Darüber habe ich vorhin nachgedacht, während ich ihr zugehört habe – wie ich herausfinden könnte, was sie treibt –, aber mir ist nur eine einzige Möglichkeit eingefallen, und da müsstest du mich unterstützen. Sozusagen.«
»Wie meinst du das?«
»Ich brauche dein Einverständnis.«
»Wozu?«
»Dass ein paar von unseren Leuten mir helfen.«
»Deiner Tante nachzuspionieren?«
»Ja. Ich nehme an, Pucetti wäre dabei, wenn ich ihn darum bitten würde.« Vianello sah Brunetti gespannt an. »Wenn sie es in ihrer Freizeit machen, außerhalb der Arbeitszeit, wäre es ja nicht direkt gegen die Vorschriften.«
»Bloß ein kleiner Stadtbummel, ziellos durch die Gegend spazieren«, fuhr Brunetti auf. »Rein zufällig immer hinter der kleinen alten Dame her, die in ihrer Handtasche das Geld mit sich rumschleppt.« Er war aufrichtig empört. Wie weit war es mit der Polizei gekommen?
»Guido«, sagte Vianello ruhig. »Ich weiß, wie sich das anhört, aber anders lässt sich nicht herausfinden, was sie mit dem Geld macht.«
»Und wenn sie euch einen Bären aufgebunden hat und mit dem Geld ins Kasino geht, um es an die einarmigen Banditen zu verfüttern?«, fragte Brunetti.
Zu seiner Überraschung nahm Vianello den Einwurf ernst. »Dann können wir das Kasino auffordern, ihr den Zutritt zu verwehren.«
Brunetti fing sich wieder und fragte: »Und wenn sie irgendwo reingeht und ohne das Geld wieder rauskommt? Was dann? Willst du das Gebäude im Sturm nehmen?«
»Nein«, sagte Vianello beherrscht. »Aber vielleicht lässt sich feststellen, ob noch andere kleine alte Damen mit Geld in der
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