Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
nichts, nicht weil er Hemmungen hatte, eine Zivilangestellte in die Ermittlungen einzuweihen – solche kindischen Bedenken hatte er schon vor langer Zeit abgelegt –, sondern weil er sie nicht mit einem dritten Namen belasten wollte. Und für Fontana interessierte er sich nur noch mehr, weil Brusca ihn so offensichtlich verteidigt hatte.
Eine Frage konnte er sich dennoch nicht verkneifen: »Wie sind Sie an die Information über die Computer gelangt, Signorina?«
»Oh, das ist alles öffentlich, Signore. Man muss nur wissen, wo man zu suchen hat.«
»Und Sie angeln einfach so auf gut Glück in den Dateien herum?«
»Richtig«, sagte sie lächelnd. »So könnte man das nennen. ›Angeln‹. Das gefällt mir.«
»Und Sie wissen vorher nie, was Sie an Land ziehen, nehme ich an.«
»Nie«, bestätigte sie. Sie zeigte auf den Notizzettel mit den Namen, die sie für ihn überprüfen sollte. »Im Übrigen hält mich das in Übung für so interessante Recherchen wie diese.«
»Ist Ihre Arbeit sonst denn nicht interessant, Signorina?«, fragte er.
»Nein, vieles davon leider nicht, Dottore.« Sie stützte ihr Kinn in die Hand und verzog resigniert den Mund. »Es ist ein hartes Los, dass so viele Leute, für die ich arbeite, so außerordentlich schwer von Begriff sind.«
»Ein solches Los haben viele zu tragen, Signorina«, sagte Brunetti und verließ ihr Büro.
9
Als er am nächsten Tag zur Arbeit kam, hatte Brunetti sich damit abgefunden, dass er nicht so bald einen eigenen Computer bekommen würde; nicht so leicht konnte er sich mit der Hitze abfinden, die ihm in seinem Büro entgegenschlug. Am Abend zuvor hatte die Familie besprochen, wo sie ihren jährlichen Urlaub verbringen sollten, und Brunetti hatte um Verständnis dafür gebeten, dass er aufgrund seiner Arbeitsbelastung lange nicht gewusst habe, wann er freibekommen würde. Den Vorschlag, ans Meer zu fahren, hatte er sofort verworfen: nicht im August, wenn im Wasser, auf den Straßen und in den Restaurants Millionen von Leuten unterwegs waren. »Und auf keinen Fall nach Apulien, da sind vierzig Grad im Schatten, und es gibt nur gepanschtes Olivenöl«, hatte er auch noch gesagt.
Rückblickend gestand er sich ein, dass er vielleicht etwas zu stur gewesen war. Er hatte seine Wünsche nur deshalb so zäh verteidigen können, weil es Paola ziemlich gleichgültig war, wohin sie fuhren: Ihre einzige Sorge war, welche Bücher sie mitnehmen sollte und ob es dort, wo auch immer sie Ferien machten, ein ruhiges Plätzchen gab, wo sie im Schatten liegen und lesen konnte.
Andere Männer hatten Frauen, die sie anflehten, mit ihnen tanzen zu gehen, um die Welt zu reisen, bis spätnachts aufzubleiben und leichtsinnige Dinge zu tun. Brunetti war es gelungen, eine Frau zu heiraten, die sich darauf freute, um zehn Uhr abends mit Henry James ins Bett zu gehen. Falls nicht gar, getrieben von einer wilden Leidenschaft, die sie ihrem Mann tugendhaft verschwieg, mit Henry James und seinem Bruder.
Wie der Präsident einer Bananenrepublik hatte Brunetti eine demokratische Wahl vorgeschlagen und dann seinen Antrag über alle abweichenden Meinungen der Opposition hinweg durchgesetzt. Ein Cousin von ihm hatte in Südtirol, oberhalb von Glurns, ein Bauernhaus geerbt und es Brunetti als Feriendomizil angeboten, solange er selbst mit seiner Familie in Apulien war. »Gepanschtes Olivenöl bei brütender Hitze«, murmelte Brunetti, was seine Dankbarkeit für das Angebot keineswegs schmälerte. Nun würden die Brunettis also für zwei Wochen in die Berge fahren; enorme Erleichterung durchströmte ihn allein schon bei der Vorstellung, unter einem dicken Federbett zu schlafen und abends einen Pullover anziehen zu müssen.
Vianello und seine Familie hatten in Kroatien ein Haus am Strand gemietet, wo er bis zum Ende des Monats nichts als schwimmen und angeln wollte. Solange die beiden Urlaub machten, würden auch ihre inoffiziellen Ermittlungen in Sachen Stefano Gorini auf Eis liegen.
Den Vormittag verbrachte Brunetti zunächst am Computer im Bereitschaftsraum, suchte Zugverbindungen nach Bozen heraus und sah sich verschiedene Touristenattraktionen in Südtirol an. Dann ging er in sein Büro und erkundigte sich telefonisch bei einigen Kollegen, ob sie jemals mit Stefano Gorini zu tun gehabt hatten. Die Fahrplanauskunft war ergiebiger gewesen.
Kurz nach halb eins rief er zu Hause an. Paola nahm beim dritten Klingeln ab und sagte: »Falls du in fünfzehn Minuten hier sein kannst, gibt
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