Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)
abgebildeten Modelle runter. »Sehen Sie den Preis für den hier?«, fragte sie und zeigte auf den dritten Eintrag.
»Eintausendvierhundert Euro«, las er. Als von ihr nur ein bestätigendes »Hm« kam, fragte er: »Ist das ein guter Preis?« Ihm schmeichelte der Gedanke, dass das Justizministerium bereit sein könnte, so viel für ihn auszugeben, aber seine Bescheidenheit hieß ihn schweigen.
»Das ist ein sehr guter Preis«, sagte sie. Sie betätigte ein paar Tasten; das Bild verschwand, an seiner Stelle erschien eine lange Liste von Namen und Zahlen. »Und jetzt sehen Sie hier«, sagte sie und zeigte auf einen Posten in der Liste.
»Ist das der gleiche Computer?«, fragte er und sah sich die Modellbezeichnung und die Nummer an.
»Ja.«
Brunettis Blick wanderte zu der Zahl am rechten Rand. »Zweitausendzweihundert?«, fragte er.
Sie nickte kommentarlos.
»Von wem stammt der erste Preis?«
»Von einer Online-Firma in Deutschland. Die Computer werden komplett italienisch installiert ausgeliefert, mit italienischer Tastatur.«
»Und die teuren?«, fragte er.
»Die teuren sind bereits bezahlt«, sagte sie. »Was ich Ihnen gezeigt habe, ist die Bestellung.«
»Aber das ist doch verrückt«, sagte Brunetti und kopierte unbewusst Ausdrucksweise und Tonfall seiner Mutter, wenn sie sich über die Fischpreise beklagte.
Wortlos scrollte Signorina Elettra zum Anfang der Liste hoch und zeigte ihm, wer der Auftraggeber war: das Innenministerium.
»Die zahlen achthundert Euro mehr?«, fragte er und wusste selbst nicht, ob er sich wundern oder sich aufregen sollte, oder beides.
Sie nickte.
»Wie viele haben die gekauft?«
»Vierhundert.«
Er brauchte nur Sekunden. »Das sind dreihundertzwanzigtausend Euro mehr«, sagte er. Sie schwieg. »Haben diese Leute nie etwas von Mengenrabatt gehört? Der Preis müsste doch günstiger werden, wenn man große Stückzahlen kauft?«
»Anscheinend gelten für Einkäufe der Regierung andere Regeln, Signore«, antwortete sie.
Brunetti trat einen Schritt vom Computer zurück und ging zur Vorderseite ihres Schreibtischs herum. »Wer ist in einem solchen Fall der Einkäufer? Ich meine, wer genau ist dafür zuständig?«
»Irgendein Bürokrat in Rom, nehme ich an, Signore.«
»Schaut dem denn niemand auf die Finger? Vergleicht Preise und Angebote?«
»Oh«, sagte sie betont gleichgültig, »ganz bestimmt.«
Brunetti ließ sich Zeit zum Nachdenken. Dass jemand ein Produkt bestellen konnte, das achthundert Euro mehr kostete als ein identisches, musste ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass ein anderer sich an dem hohen Preis stoßen würde, besonders wenn es um Regierungsgelder ging, die da ausgegeben wurden, und nur zwei Leute von der Ausschreibung wussten.
»Interessiert das denn niemanden?«, hörte Brunetti sich fragen.
»Irgendwen bestimmt, Commissario«, antwortete sie und schloss mit geradezu militanter Munterkeit die Frage an: »Weswegen wollten Sie mich sprechen?«
Er berichtete kurz von Vianellos Tante und dem vielen Geld, das sie in letzter Zeit abgehoben hatte, nannte ihr Namen und Adresse von Stefano Gorini und bat sie, wenn ihre Zeit es zulasse, etwas über ihn herauszufinden.
Signorina Elettra notierte sich die Angaben und fragte: »Ist das die Tante, die mit dem Elektriker verheiratet ist?«
»Ehemaliger Elektriker«, korrigierte Brunetti. »Ja.«
Sie bedachte ihn mit einem nüchternen Blick und schüttelte den Kopf. »Ich finde, das ist wie bei einem Priester oder Arzt«, sagte sie.
»Pardon?«
»Wenn man Elektriker ist, Signore. Wenn man einmal damit angefangen hat, hat man so etwas wie eine moralische Verpflichtung, damit weiterzumachen.« Sie ließ ihm Zeit zum Nachdenken, und als er nicht darauf antwortete, sagte sie: »Nichts ist schlimmer als Dunkelheit.«
Aus langer Erfahrung als Bewohner einer Stadt, in der die Elektroinstallationen vieler Häuser seit fünfzig oder sechzig Jahren nicht mehr erneuert worden waren, verstand Brunetti sie sofort und konnte nur bekräftigen: »Ja. Nichts ist schlimmer.«
Seine spontane Zustimmung schien sie aufzumuntern. »Ist es dringend?«, fragte sie.
Da ihr Treiben nicht offiziell war, entgegnete Brunetti: »Nein, nicht so sehr.«
»Dann schaue ich morgen mal nach, Signore.«
Bevor er ging, wies er auf ihren Computer und meinte noch: »Wenn Sie schon mal dabei sind, könnten Sie nachsehen, was sich über einen Gerichtsdiener namens Araldo Fontana herausfinden lässt?« Von der Richterin Coltellini sagte er
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