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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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den er mit einem Kollegen teilte. Er nahm ein Blatt Papier und reichte es Brunetti. »Das ist die Liste der Hausbewohner, Signore. Alvise hat die Vernehmung dem Tenente überlassen, und wenn einer der Anwesenden auf dem Hof behauptete, er wohne nicht dort, hat er nicht nachgehakt.«
    Brunetti sah ihn fragend an. »Alvise hat offenbar das Hoftor nicht hinter sich zugemacht«, erklärte Zucchero in vollkommen neutralem Ton.
    Brunettis Kehle entrang sich ein leises Stöhnen.
    »Ich denke, dann sollten wir beide mal mit den Leuten reden, die dort wohnen«, sagte er zu Vianello. Als der Inspektor nicht sofort reagierte, fügte er lachend hinzu: »Es sei denn, du willst da anrufen und dir die Zukunft voraussagen lassen.« Vianello machte den Computer aus und stand auf.

20
     
    Brunetti hätte die anderen Mieter des Palazzo, in dem Fontana gelebt hatte, ohne weiteres anrufen und ihnen sagen können, die Polizei müsse mit ihnen sprechen, aber er wusste, überraschendes Auftauchen brachte einen zusätzlichen Vorteil. Egal, was diese Leute der Polizei verraten – oder verheimlichen – würden, er zog es vor, mit Vianello zusammen unangemeldet bei ihnen anzuklopfen.
    Bei der Hitze war gar nicht daran zu denken, sich zu Fuß auf den Weg zur Misericordia zu machen, und da es mit dem Vaporetto auch nicht so einfach war, ließ Brunetti sich und Vianello von Foa mit einer Polizeibarkasse hinbringen. Sie blieben an Deck: Auch bei offenen Fenstern war es in der Kabine des langsamen Boots unerträglich. Foa hatte das Sonnenverdeck über der Ruderpinne ausgespannt, aber das nützte so gut wie nichts. Durch den Fahrtwind war es draußen eine Spur kühler, und auch das Wasser mochte dazu beitragen, aber es war immer noch so heiß, dass sie lieber gar nicht erst davon anfingen. Linderung verschafften allein die kühlen Stellen, die sie gelegentlich durchfuhren, ein Phänomen, das Brunetti sich nicht erklären konnte: Möglich, dass jene Luft aus den porte d’acqua der Palazzi drang, an denen sie vorbeikamen, möglich aber auch, dass die komplizierten Windverhältnisse in den Kanälen die kühlere Luft an gewissen Stellen zusammentrieben.
    Als sie in der Nähe von Fontanas Haus anlegten, schickte Brunetti Foa zur Questura zurück, damit er Patta von seiner morgendlichen Schwimmrunde abholen konnte. Er meinte noch, er werde anrufen, wenn sie fertig seien, oder aber, falls es zu lange dauern sollte, würden er und Vianello irgendwo zu Mittag essen und auf eigene Faust zurückkommen.
    Auf dem Namensschild neben der obersten Klingel am portone stand »Fulgoni«. Brunetti drückte auf den Knopf.
    »Chi è?« , fragte eine Frauenstimme.
    » Polizia, Signora«, antwortete Brunetti. »Wir möchten mit Ihnen reden.«
    »Na gut«, sagte sie nach kurzem Zögern und ließ das Hoftor aufklicken.
    Die kühlere Luft im Hof hatten sie erwartet und konnten sich daher gar nicht so darüber freuen wie über die überraschend kühlen Stellen auf den Kanälen. Das rotweiße Absperrband um den Tatort war noch da, wie Brunetti bemerkte. Von einem Marmorlöwen war nach wie vor nichts zu sehen.
    Sie stiegen in die oberste Etage. Die Tür stand halb offen, eine große, breitschultrige Frau in den Fünfzigern erwartete sie. Brunetti erinnerte sich, die Frau auf der Straße gesehen zu haben: Sie hatte auffällig schwarzes Haar, rabenschwarz, in zwei aerodynamischen Wellen aus ihrem blassen Gesicht nach hinten gekämmt, so dass eine Art Helm entstand, der zweifellos von einer nur Frauen und Friseuren bekannten Substanz an Ort und Stelle gehalten wurde. Im Gegensatz dazu war ihr Gesicht so weiß wie mit Reispuder eingestäubt und abgesehen von einem hellrosa Lippenstift ungeschminkt. Sie trug eine dunkelgrüne Bluse mit Rüschen, die irgendwie nicht zu einer Frau von ihrer Körpergröße passten. Und die Farbe biss sich mit dem Blau ihres Rocks. Brunetti sah durchaus, dass die Kleidung teuer war und in einer günstigeren Farbkombination recht elegant wirken würde, doch Signora Fulgoni stand sie nicht.
    »Signora Fulgoni?«, fragte Brunetti und streckte die Hand aus.
    Ohne seine Hand zu beachten, trat sie zurück und winkte die beiden hinein. Schweigend ging sie ihnen durch den Flur voran in ein kleines Wohnzimmer mit Parkettboden, einem schmalen Sofa und einem Sessel. Vom Couchtisch blickten ihnen die bunten Titelseiten einiger Zeitschriften entgegen, und an einer Wand standen Regale mit Büchern, die gelesen wirkten. Die gestreiften Leinenvorhänge vor den drei

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