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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Männer starrten weiter auf den Bildschirm. Brunettis Bemerkung konnte man geradezu als Prophezeiung auffassen, denn jetzt erschienen die Gesten des Mondgesichts ihnen allen wie vorbereitet und einstudiert. Nie ließ seine Aufmerksamkeit nach, während er die Karten umdrehte, und ebenso wenig die Konzentration, mit der er in die Kamera schaute, wenn er seinem Anrufer zuhörte: Sein Blick war so eindringlich, als sei er Zeuge einer öffentlichen Hinrichtung.
    Er legte die Finger aneinander und nahm die nächste Karte vom Stapel, und wieder schwenkte die Kamera hinter ihn und zeigte das Ganze von oben. Aufreizend langsam deckte er die Karte auf und legte sie neben zwei andere. Was die Karte zeigte, sagte den drei Männern nichts, doch Brunetti hatte inzwischen genug gesehen, um die Bemerkung zu riskieren: »Wenn die Kamera wieder sein Gesicht zeigt, wird er aussehen wie Ödipus, der seine Mutter erkennt.«
    Und genau so war es. Als das Gesicht des Mannes eingeblendet wurde, war das Erstaunen, das sich darin zeigte, dick aufgetragen wie mit Acrylfarben. Vianello wollte nach der Maus greifen, aber Brunetti legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: »Nein, gib ihm noch eine Minute.«
    Also warteten sie noch so lange und sahen zu, wie die Erschütterung des Mannes einer besorgten Miene wich. Er sagte etwas, schüttelte andeutungsweise den Kopf und hielt die Augen einen Moment geschlossen. »Er distanziert sich von der Entscheidung des Anrufers«, bemerkte Zucchero.
    Vianello hielt es nicht mehr aus und stellte den Ton wieder an. »…nichts für Sie tun. Ich kann Ihnen nur zeigen, was die Karten sagen. Was Sie daraus für Schlüsse ziehen, ist Ihre Entscheidung, und ich rate Ihnen, sich das gründlich zu überlegen.« Er verneigte sich wie ein Priester, der einen Sarg mit Weihwasser bespritzt. Schweigen. Dann das Geräusch eines Telefonhörers, der aufgelegt wird.
    »Sehr gut, diese Schlussbemerkung«, sagte Vianello mit unverhohlener Bewunderung. Auf dem Bildschirm erschien jetzt eine Liste von Telefonnummern, und eine Frauenstimme erklärte, professionelle Berater seien rund um die Uhr bereit, Anrufe entgegenzunehmen. Experten mit jahrzehntelanger Erfahrung im Kartenlegen, in Horoskoperstellung und Traumdeutung. In einem roten Kästchen am unteren Rand des Bildschirms wurden die Preise für die verschiedenen Dienstleistungen angezeigt.
    »Kann man diesen Leuten nicht das Handwerk legen?«, fragte Zucchero. Die Empörung des jungen Mannes freute Brunetti.
    »Die Guardia di Finanza schaut ihnen auf die Finger. Aber solange sie nicht gegen irgendwelche Gesetze verstoßen, kann man nichts unternehmen«, erklärte Brunetti.
    »Und Vanna Marchi?«, fragte der junge Beamte. Diese berühmte Fernsehwahrsagerin war kürzlich zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt worden.
    »Die ist zu weit gegangen«, sagte Vianello. Er wies auf den Bildschirm. »Soweit ich das beurteilen kann, redet dieser Bursche ganz vernünftig.« Bevor Brunetti etwas einwenden konnte, erklärte der Inspektor: »Ich habe ihn jetzt mehrmals gesehen, und er tut nichts anderes, als den Leuten zu sagen, was jeder normale Mensch ihnen auch sagen würde.«
    »Für einen Euro pro Minute?«, fragte Brunetti.
    »Immer noch billiger als ein Psychiater«, meinte Zucchero.
    »Ach, Psychiater«, sagte Vianello verächtlich.
    Brunetti hätte Vianello am liebsten darauf hingewiesen, dass der Mann, mit dem seine Tante sich eingelassen hatte, auch nicht viel schlimmer war, aber das würde nur zu einer misslichen Debatte führen. Stattdessen fragte er Zucchero: »Haben Sie sich in der Nachbarschaft umgehört?«
    »Ja, Signore.«
    »Und?«
    »Ein Mann, der ein paar Häuser weiter wohnt, hat angeblich etwas gehört. Er meint, es könnte kurz nach elf gewesen sein, ist sich aber nicht sicher. Er saß draußen auf seinem Hof, im Haus war es ihm zu heiß, und da hat er Lärm gehört– könnten wütende Stimmen gewesen sein, sagt er –, aber er hat nicht weiter darauf geachtet.«
    »Von wo kamen die Geräusche?«
    »Das weiß er nicht, Signore. Auf der anderen Seite des Kanals sind einige Bars, und er sagt, er habe gedacht, der Lärm käme von dort. Oder aus irgendeinem Fernseher.«
    »Aber der Zeitpunkt ist sicher?«
    »Offenbar. Er sagt, er habe seinen Fernseher ausgemacht und sei dann in den Hof runtergegangen.«
    »Und was ist mit Alvise? Hat er Ihnen die Liste gegeben?«
    »Ja, Signore«, sagte der junge Beamte, drehte sich zackig um und ging zu dem Schreibtisch,

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