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Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition)

Titel: Auf Treu und Glauben: Commissario Brunettis neunzehnter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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dachte kurz nach. »Etwas, das seiner Mutter gefallen würde.«
    »Denken die Leute immer noch so?«, fragte Brunetti und drehte sich zu ihr um.
    »Viele Leute denken an kaum etwas anderes, würde ich sagen«, gab sie zurück.
    Brunetti fiel wieder ein, dass er Vianello noch fragen musste, ob es ihm gelungen war, Verwandte des Toten aufzuspüren. Doch bevor er Signorina Elettras Büro verließ, bat er sie noch: »Versuchen Sie bitte herauszufinden, ob es irgendwelche Verbindungen zwischen Richterin Coltellini und Puntera gibt.«
    Sie sah ihn mit fast unverhohlener Bewunderung an. »Ah, darauf hätte ich auch selbst kommen können. Zum Beispiel in Sachen Miete. Natürlich.«
    Er wandte sich zum Gehen, aber dann fiel ihm ein, dass er noch einen Weg finden musste, wie seine Schwiegermutter Kontakt mit Gorini aufnehmen konnte. »Außerdem könnten Sie einmal recherchieren, wie Gorini die Leute auf seine Dienstleistungen – wie auch immer die geartet sind – aufmerksam macht.«
    Sie wies mit einer anmutigen Gebärde auf ihren Computerbildschirm, als halte der alle Antworten bereit.
    Brunetti war sich nicht sicher, ob seine Schwiegermutter mit diesem Vorschlag viel anfangen konnte; trotzdem bedankte er sich und ging in sein Büro zurück.

19
     
    Dieses Computerzeug schien ansteckend zu sein: Brunetti fand Vianello im Bereitschaftsraum, wo er vor dem Bildschirm saß und einem Mann zusah, der auf einem Tisch Karten auslegte. Vianello hatte seinen Stuhl zurückgeschoben, die Arme verschränkt und die Füße auf der herausgezogenen Schreibtischschublade. Hinter ihm stand Zucchero, ebenfalls mit verschränkten Armen, und sah nicht weniger gebannt zu. Brunetti ging leise hinein und stellte sich neben Vianello.
    Der Mann auf dem Bildschirm beugte sich tief über die Karten auf dem Tisch, so dass nur sein Kopf von oben, die massigen Schultern und der rundliche Oberkörper zu sehen waren. Er rieb sich das Kinn wie ein Bauer, der das Barometer studiert und nicht weiß, was er davon halten soll. »Sie sagen, dieser Mann hat versprochen, Sie zu heiraten?«, fragte er plötzlich, ohne den Blick von den Karten zu heben.
    Von irgendwo hinter oder über oder unter ihm antwortete eine Frauenstimme: »Ja, das hat er. Viele Male.«
    »Aber er hat niemals ein Datum genannt?« Die Stimme des Mannes war so unbeteiligt wie nur möglich.
    Nach langem Zögern sagte die Frau: »Nein.«
    Der Mann hob die linke Hand und schob eine der Karten mit dem kleinen Finger ein wenig nach links. Dann hob er den Kopf, und Brunetti sah zum ersten Mal sein Gesicht. Es war rund, beinahe kreisrund, wie ein Fußball, auf den Augen, Nase und Mund gemalt waren; damit er einem Menschen ähnlicher wurde, hatte man ihm Haare auf die Stirn geklebt. Und nicht nur sein Kopf war rund, auch seine Augen, über denen sich in perfekten Halbkreisen buschige Brauen wölbten: Das Gesicht wirkte wie der Inbegriff von kindlicher Unschuld, als sei dieser Mann soeben erst zur Welt gekommen, vielleicht im Eingang des Fernsehstudios, und habe in seinem kurzen Leben bisher nur gelernt, wie man Karten umdreht, seine Zuschauer fixiert und ihre Gedanken liest.
    Er wandte sich jetzt direkt an die Frau, die irgendwo saß und ihm lauschte: »Hat er jemals einen genauen Zeitpunkt genannt, wann er Sie zu heiraten beabsichtigt?«
    Diesmal zögerte sie noch länger, ließ dann ein schier endloses »Hmmmm« vernehmen und sagte schließlich: »Er muss vorher noch ein paar Dinge regeln.« Brunetti hatte genug Ausreden von Verdächtigen gehört, die er verhaftet hatte, er kannte die Tricks, mit denen sie ein Verhör vom Kurs abzubringen versuchten, und manche beherrschten das meisterhaft. Diese Frau hingegen war ein Amateur, ihre Taktik so durchsichtig, dass man darüber lachen würde, wäre da nicht diese Verzweiflung in ihrer Stimme, als wisse sie selbst, dass niemand ihr glaube, müsse aber trotzdem wenigstens versuchen, das Offensichtliche zu verbergen.
    »Was für Dinge?«, fragte der Mann. Er blickte wieder in die Kamera, als wollte er den Dingen auf den Grund gehen: den Lügen auf den Lippen der Frau und jenen Lügen im Herzen des Mannes.
    »Seine Trennung«, sagte sie, und ihre Stimme wurde von Silbe zu Silbe leiser.
    »›Seine Trennung‹«, wiederholte das Mondgesicht, jede Silbe ein schwerfälliger Schritt auf die Wahrheit zu.
    »Die ist noch nicht endgültig«, versuchte sie zu erklären, aber es klang wie ein Flehen.
    Bis dahin hatte sich der Dialog so zäh dahingeschleppt, dass die

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