Auf Umwegen ins Herz
… Jana!?“
Er lehnte sich über den schmalen Tisch, sah mir dabei tief in die Augen, und einen Moment lang wusste ich weder, wo ich hinsehen sollte, noch, wie ich auf der schmalen Bank ruhig sitzen bleiben konnte. Sein Duft wehte über den Tisch, und ich nahm den Geruch von Holz und Moschus wahr, vermischt mit etwas Süßem … Mandarine? Benommen versuchte ich, mich zu konzentrieren, seinen Worten zu folgen.
Die Kellnerin servierte ihm sein kühles Getränk und verschaffte mir eine kurze Regenerationsphase.
„Hör zu, Jana, es tut mir ehrlich leid, dass ich mich damals wie ein Arsch verhalten habe.“
Da haben wir ja das Geständnis. „Ein Arsch, genau! Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur Besserung!“, konnte ich mir nicht verkneifen.
„Und es tut mir leid, dass ich dir damals zuerst Hoffnungen gemacht hab und dich anschließend fallen ließ. Abgesehen davon … war es unverzeihlich, dass ich dich vor unseren Freunden begrapscht habe.“
„Tja, das hilft mir heute herzlich wenig, Julian!“ Wütend funkelte ich ihn an.
„Das … Ich weiß.“
Er stockte, und trank einen Schluck, bevor er fortfuhr. „Ich kann es leider nicht ungeschehen machen. Ich kann mich nur bei dir entschuldigen. Und, Jana, …“ Bei diesen Worten griff er nach meinen Händen, und ich erstarrte augenblicklich. „… es tut mir aus ganzem Herzen leid. Bitte, verzeih mir!“
Seine Haut prickelte auf meiner, und ich war einfach nur … sprachlos. Überrumpelt. Dabei hatte ich mir saftige Kommentare zurechtgelegt, die mir jetzt blöderweise nicht mehr einfallen wollten. Was sollte man da noch erwidern, außer: „Ich verzeihe dir.“
Menno, hatte ich das eben tatsächlich laut ausgesprochen?
Julian atmete hörbar aus und schloss dabei kurz die Augen. So, wie es aussah, waren diese Worte also tatsächlich nicht nur in meinem Kopf, sondern auch in vernehmlicher Lautstärke über meine Lippen gekommen, denn mit einem erleichterten Lächeln sagte er: „Ich danke dir, Jana. Du hast ja keine Ahnung, wie erleichtert ich bin, dass du meine Entschuldigung angenommen hast.“
Prima. Peinlich berührt entzog ich ihm meine Hände und nippte an meinem Wasser, als da endlich eine meiner zuvor zurechtgelegten Fragen wieder aus einem der hintersten Winkel meiner Gehirnwindungen hervortrat.
„Wieso hast du dich zu so einem Arschloch entwickelt? Du warst doch, als ich dich kennenlernte, ein echt …“ Was sage ich jetzt, um das Wort „süß“ zu vermeiden? „… netter Junge!“ Puh, gerade noch mal die Kurve gekratzt.
Mit dieser Frage dürfte Julian nicht gerechnet haben, denn sein Blick schweifte erneut einen kleinen Augenblick in die Ferne, so, als erinnere er sich an etwas. Dann musterte er mich mit zusammengekniffenen Augen.
„Es passieren Dinge, die Menschen verändern. So ist es nun mal.“
Sein unpersönlicher Ton verriet mir, dass weitere Fragen in diese Richtung sinnlos wären. Verlegen wich ich seinem Blick aus und überlegte fieberhaft, was geschehen sein konnte, doch mir fiel nichts ein, was sein Verhalten rechtfertigen würde. Wirklich darüber nachdenken konnte ich jedoch nicht, denn Julian wechselte das Thema und gleichzeitig seine Stimmung.
„Nun erzähl mal, Jana, was ist aus dir geworden? Was machst du beruflich? Wohnst du noch in Linz?“
Ich war irritiert, denn mit so einer Unterhaltung hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Julian lehnte sich sichtlich entspannt zurück und musterte mich abwartend. Ich stammelte kurz etwas Unverständliches und begann dann, brav auf jede einzelne seiner Fragen zu antworten. Ich erzählte ihm von meiner Arbeit im Verlag, von meiner Arbeitskollegin und besten Freundin Isa, unserem gemeinsamen Hobby. Auf die Frage, warum ich dieses Café gewählt hatte, deutete ich auf Marco und klärte Julian über unsere Freundschaft auf. Da mein Facebook-Profil sich sowieso las wie ein offenes Buch, brauchte ich ja jetzt nicht anfangen, mit Informationen zu geizen.
„Da fällt mir ein …“ Gut, dass mein Hirn doch noch funktionierte, sonst hätte ich fast vergessen, dass ich noch etwas von ihm wissen wollte. „… du hast in deiner Nachricht geschrieben, du hättest mich endlich gefunden. Wie hast du das gemeint? Seit wann suchst du denn nach mir?“ Und nein, ich schaffte es natürlich nicht, diese Fragen zu stellen, ohne dass ich wieder rot anlief.
Wenn ich jedoch dachte, die roten Wangen wären mein größtes Problem … Ich schaffte es nicht wegzusehen, und, auch wenn ich die
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