Auf Umwegen ins Herz
zogen mich hoch in die Vertikale. Kurz legte sich wieder ein dunkler Schleier über mein Sichtfeld, doch so schnell, wie er kam, verschwand er wieder. Marco ließ mich nicht los und führte mich, gefolgt von Isa, zu den Sofas beim Eingangsbereich. Der Bedienung an der Bar rief er zu, sie möge uns ein großes Glas Multivitaminsaft bringen.
„Leg dich wieder nieder, Jana, und lagere deine Beine hoch, am besten hier rauf“, deutete Marco auf die Armlehne der Couch.
Wenn ich nicht schon einen knallroten Kopf gehabt hätte, wäre er es spätestens jetzt geworden, denn mir war die Situation äußerst unangenehm. Einige der Fitnessstudiogäste folgten uns mit interessierten Blicken, und ich hasste nichts mehr, als im Mittelpunkt zu stehen. Noch dazu, wenn mich eine so peinliche Situation dazu brachte.
„Mir gehts schon wieder gut, wirklich.“ Ich hoffte, ihn mit meinem energischen Kopfnicken zu überzeugen. Die Bedienung stellte den Saft mit einem bemitleidenden Blick vor mir auf dem Tisch ab. Na prima, jetzt war ich schon so lange Mitglied in dem Studio, doch so etwas war mir noch nie zuvor passiert. Jeder hier kannte mich als eine, die regelmäßig Sport trieb, und da kippte ich einmal aus den Latschen, schon hatte ich den Mitleidsstempel auf dem Kopf. Hallo, mir gehts gut, ich bin nur überarbeitet!
Marco und Isa saßen mir gegenüber, und auch die beiden schenkten mir einen Blick, als würden sie mich heute nicht mehr ohne Begleitschutz nach Hause lassen, aus lauter Sorge, ich würde noch einmal ohnmächtig werden.
„Schaut mich nicht so an, mir gehts wirklich wieder besser. Ich bin einfach nur komplett ausgelaugt. Ich hätte es mir heute Abend besser daheim auf dem Sofa bequem machen sollen. Stattdessen sitze ich jetzt hier auf diesem. Ist zwar auch ganz gemütlich, aber war nicht ganz mein Plan für heute.“
„Mensch, Jana, du hast mir einen mächtigen Schreck eingejagt.“ Isa war tatsächlich ziemlich blass, der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Tut mir leid, war nicht meine Absicht. Das nächste Mal werd’ ich dich vorwarnen.“ Als sie mir ihre Zunge entgegenstreckte, wusste ich, dass sie sich wieder etwas gesammelt hatte. „Na komm, geh wieder trainieren. Ich werd’ mich umziehen und nach Hause fahren.“
„Bist du sicher? Sonst begleite ich dich …“
„Kommt überhaupt nicht infrage. Mach du nur dein Training fertig, und wir sehn uns morgen in alter Frische!“ Ich griff nach dem Saft.
„Ich werde bei ihr bleiben“, versprach Marco Isa, die nun endlich beruhigt war. Nach einem Küsschen von ihr auf meine Stirn wirbelte sie davon in Richtung Ausdauerbereich.
„Marco, das ist wirklich lieb von dir, aber mir gehts …“
„Papperlapapp“, fiel er mir ins Wort. „Ich will nichts dergleichen hören. Ich fahre dich mit deinem Auto nach Hause und nehme mir ein Taxi zurück zum Studio.“ Sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu, was wegen seines Dauerlächelns irgendwie strange wirkte.
Außer einem „Danke“ konnte ich da nichts mehr hinzufügen. Ich leerte das Glas und ging mich umziehen. Duschen würde ich zu Hause, damit Marco nicht unnötig lange warten musste.
Auch wenn die Tage schon frühlingshaft warm waren, so merkte man, sobald die Sonne am Horizont verschwunden war, dass es noch nicht Sommer war. Die kühle Luft, die uns entgegenschlug, als wir das Gebäude verließen, verursachte mir eine Gänsehaut. Ich versuchte, meine Oberarme durch Reiben zu wärmen, doch wirklich erfolgreich war ich damit nicht.
Mein Auto stand fast am anderen Ende des großen Parkplatzes, und Marco nahm den Autoschlüssel entgegen, als wir bei meinem Flitzer ankamen. Ich fühlte mich wie eine alte Oma, die auf Hilfe angewiesen war. Und doch war ich gerührt von der Unterstützung, die mir meine Freunde anboten, ohne zu überlegen.
Als Marco den Motor startete, schenkte er mir ein aufmunterndes Lächeln. „Erzähl, wie verlief das Treffen mit … Julian?“
„Genau, Julian.“ Alleine die Erwähnung seines Namens beschleunigte meinen Herzschlag so wie zuvor auf dem Laufband, und ich war sehr erleichtert, dass Marco am Steuer saß. „Ah, ja … es hat schon alles gepasst. Er hat sich entschuldigt bei mir, und das war’s.“
„Das war’s?“
„Ja.“
„Jaaa?“
„Ja!“ Was sollte das?
„Also auf mich wirkte das aber anders.“
Ich brauchte ihn nicht anzuschauen, um zu merken, dass er breit grinste. Machte er sich gerade lustig über mich?
„Was willst du mir damit
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