Auf Umwegen ins Herz
trocken war. Danke an den Wettergott!
Wir machten es uns auf seinem Sofa gemütlich. Im Badezimmer gab die Waschmaschine ihr Bestes, und in unseren Händen hielten wir Jumbotassen, gefüllt mit dem meiner Meinung nach besten Cappuccino außerhalb Italiens – Marcos Kreation fairerweise nicht mitgezählt.
Noch ein Punkt, der für Julian sprach. Gedanklich fügte ich ihn auf meiner Plus/Minus-Liste hinzu, bei der die positive Seite länger und länger wurde. Julian hatte seinen Arm um mich gelegt. Ich schmiegte mich an seine Seite und pustete vorsichtig in meine Tasse.
Er erzählte von seiner Zeit in Salzburg, dem Studium und seinen beiden besten Freunden. Ihr Zusammenhalt und ihre Freundschaft erinnerten mich an die von Isa und mir. Wir blätterten durch das Fotobuch seiner USA-Reise, während er von seinem Abenteuer schwärmte.
„Irgendwann, Jana, … irgendwann will ich noch einmal über den großen Teich“, vertraute er mir an, als er sich streckte und zurück in die Kissen fallen ließ. „Vielleicht auch weiter in den Süden, Richtung Mexiko. Oder nach Asien … Australien … Es gibt so viele schöne Plätze auf dieser Erde, die ich noch unbedingt sehen will, bevor ich alt und runzelig bin.“
Ich musste schmunzeln und nahm mir fest vor, ab sofort zu sparen, um mir meinen Traum auch so bald wie möglich zu erfüllen. Wer weiß, vielleicht hab ich ja dann eine Begleitung, wenn es soweit ist.
„Wieso seid ihr damals eigentlich von Salzburg nach Linz gezogen – du und deine Familie?“ Ich konnte mich nicht daran erinnern, je den Hintergrund ihres Umzugs erfahren zu haben.
Julian stand auf und gab mir ein eingerahmtes Foto aus seinem Regal, ehe er sich wieder zu mir auf die Couch fallen ließ. Eine Frau mit weißen Haaren, die diese zu einem Knoten gedreht hatte, und eine Kleiderschürze trug, saß an einem Holztisch im Freien, eine Schüssel mit Erbsen vor ihr, einen Berg Schoten daneben. Links und rechts von ihr saßen zwei kleine Kinder. Ein Mädchen von geschätzt zwei Jahren und ein circa siebenjähriger Junge.
„Das ist unsere Omi. Wir lebten alle zusammen in einem Haus auf dem Land. Als sie starb, hielt es meine Mama nicht mehr in ihrem Elternhaus aus, und so zogen wir nach Linz.“
Ich musterte das Foto genauer. Im Hintergrund ein uriges Haus mit Blumen vor den Fenstern, ein Obstbaum im großen Garten. Als ich mir die Kinder genauer ansah, entdeckte ich bekannte Gesichtszüge.
„Das sieht nach einem schönen Leben aus, das ihr da hattet …“ Es war ein Schuss ins Blaue, aber die Kinder hatten ein Strahlen auf ihrem Gesicht, und auch ihre Oma wirkte auf mich, als wäre sie eine sehr freundliche, liebenswerte Person gewesen.
„Da hast du recht. Ich denke heute noch gern an die Zeit zurück, auch wenn ich mich nur an wenige Momente erinnern kann. Aber dieses Foto liebe ich, und ich sehe uns heute noch mit Omi am Tisch sitzen und Erbsen schälen.“ Er grinste spitzbübisch, als er mit einem Zwinkern ergänzte: „Naja, Omi schälte, wir aßen, was das Zeug hielt.“
Er stand auf und stellte das Foto zurück an seinen Platz. „Mein Vater verlor nach kurzer Zeit seinen Job hier in Linz. Von da an ging es bergab …“
Bedrückt von dem Stimmungswechsel nippte ich an meiner Tasse. „Aber das gehört zur Vergangenheit.“ Er lächelte wieder, was mich aufatmen ließ.
Ich kuschelte mich an ihn, wollte einfach für ihn da sein, denn das war alles, was ich im Moment für ihn tun konnte. Eine Weile hielt er mich fest, und wir hingen unseren Gedanken nach.
„Was hältst du davon, wenn wir uns, bis deine Wäsche fertig ist, einen Film ansehen?“, wechselte Julian plötzlich das Thema.
Ich sah ihn an. Wieder einmal konnte ich in seinen Augen eine Unsicherheit erahnen, wie ich sie bei einem Mann seiner Klasse nie vermutet hätte. Hatte er wirklich so sehr Angst, es sich erneut mit mir zu vermasseln? Dachte er inzwischen über jeden Schritt zweimal nach, aus lauter Sorge um meine Reaktion?
„Gerne.“ Erleichtert lächelte er mich an.
„Was hast du denn im Angebot?“
„Naja, also mit Liebesschnulzen kann ich weniger dienen …“
„Das stört mich kein bisschen, ich schaue liebend gerne Actionfilme.“
„Du bist wirklich eine Traumfrau.“ Er zwinkerte mir zu, sprang auf und öffnete einen Schrank, in dem sicher an die vierhundert DVDs waren, wenn nicht mehr.
„Wow!“ Ich staunte nicht schlecht. „Was für eine Auswahl! Das ist ja fast wie in einer Videothek.“
„Fast.“
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