Auf Umwegen ins Herz
wenn ich den Sinn eures gestrigen Kuschelmarathons nicht nachvollziehen kann … aber ich muss ja nicht alles verstehen.“
Es kann ja nicht jeder so sexsüchtig sein wie du, warf ich ihr in Gedanken an den Kopf, doch dann biss ich mir auf die Zunge. Was das anging, würde ich sie wahrscheinlich nie ganz begreifen.
Nach dem Training fuhr ich zu meiner Mom, die mich zum Mittagessen eingeladen hatte. Martin sollte auch dabei sein, und ich freute mich schon auf das gemütliche Beisammensitzen. So konnte ich ihnen noch einen schönen Urlaub wünschen, den sie übermorgen antreten würden.
Auf der Fahrt zur Wohnung meiner Mutter wanderten meine Gedanken wieder zu Julian, und die anderen Autofahrer durften sich über mein Dauergrinsen wundern. Mir war das jedoch egal. Und hätte die ganze Welt über mich gelacht, ich hätte es mit einem Schulterzucken hingenommen. Keiner von den anderen 7,1 Milliarden Menschen konnte annähernd empfinden, was sich in meinem Inneren abspielte – davon war ich überzeugt.
Wir hatten nach dem Filmmarathon noch ewig über Tarantino, seine Filme, über die Darsteller und die Hollywoodmaschinerie geplaudert, und es war wirklich erstaunlich, wie viele Parallelen sich in unseren Gedankengängen fanden. Und, selbst wenn wir mal nicht einer Meinung waren … kein Problem! Kein beleidigtes Abblocken, sondern Interesse daran, die Sichtweise des anderen zu hören und darüber zu reden. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mir zuletzt das „Nicht-einer-Meinung-sein“ so sehr Spaß gemacht hatte.
Wir ließen uns eine Pizza liefern und verließen die Couch nur, als der Pizzabote klingelte, als die Wäsche von der Waschmaschine in den Trockner und dann von dort wieder raus wanderte und, wenn doch einmal die Blase zu leeren war. Die restliche Zeit redeten wir über Gott und die Welt und küssten uns ewig, sodass mir heute Morgen die Lippen brannten. Oder wir saßen einfach aneinandergekuschelt da und genossen die Nähe des anderen. Nur hin und wieder mussten wir die Hände voneinander lassen und etwas Abstand zwischen uns bringen, dann, wenn Neele eifersüchtig ihren Kopf zwischen uns beide schob.
Als mich Julian spät in der Nacht nach Hause brachte, wollte ich am liebsten gar nicht aus dem Auto aussteigen – nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass Julian mit seinen beiden besten Freunden für zwei Tage zum Klettern in die Berge fahren wollte. Sie würden erst Sonntagabend wieder zurückkommen, und ich hatte keine Ahnung, wie ich die Zeit ohne ihn aushalten sollte. Feig, wie ich war, hatte ich mich nicht getraut, ihn um sein T-Shirt zu fragen … So hätte ich wenigstens einen kleinen Teil von ihm bei mir gehabt.
Hatte ich tagelang gehofft, er würde gleich wieder aus meinem Leben verschwinden, so hatte sich innerhalb eines Tages mein Leben total verändert: Ich war süchtig nach Julian. Ich musste mir wohl oder übel eine Beschäftigung suchen, um mich vom Warten abzulenken. Ungeduldig, wie ich war, war ich mir sicher, ich würde alle fünfzehn Minuten auf die Uhr sehen, in der Hoffnung, die Zeit hätte vielleicht einen Zwei-Stunden-Sprung gemacht, den ich nicht mitbekommen hatte.
„Hallo, mein Mäuschen, wie geht’s dir? Du siehst schmal aus, du solltest wirklich öfter zum Essen zu mir kommen.“ Typisch Mom. Öffnete mir die Tür und hatte sofort Angst, ich könnte verhungern. Während der Umarmung verdrehte ich hinter ihrem Rücken die Augen und sah Martin auf uns zukommen, der ein Lachen unterdrücken musste.
„Hallo, Jana, ich freue mich, dass ich dich auch vor unserem Urlaub noch einmal zu Gesicht bekomme. Wie geht es dir? Was macht die Arbeit?“
Hatte ich schon erwähnt, dass ich Martin mochte? Es war alles so herrlich einfach mit ihm. Kein langes Geplauder über Gefühle. Wenn er mich fragen würde, wie es mir ginge, und ich hätte mir eben ein Bein abgehackt und würde ihm mit „Gut, danke, dir?“ antworten, so würde ihn die Antwort zufriedenstellen und er würde ebenso mit einem „Gut“ antworten. Er war nicht ignorant oder gar selbstsüchtig, nein, er war einfach nur ein Mann, wie er im Buche steht. Ein Beispiel für das Klischee, dass in die Männerwelt keine Gefühlsausbrüche und weibliche Hormonschwankungen passten. Ich grinste und reichte ihm die Hand.
„Ich freu mich auch. Hast du schon alles gepackt?“
„Natürlich, willst du meine Checkliste sehen?“
„Ahm … nein, nicht nötig, ich glaub dir auch so.“
Lachend gingen wir in die Küche. Mir lief das
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