Auf Umwegen ins Herz
den kurzen Augenblick des Alleinseins genutzt, um mich im offenen Wohn-Ess-Bereich umzusehen. Ein leises Räuspern ließ mich meine Entdeckungstour leider früher als mir lieb war unterbrechen.
Julian stand hinter mir, mit zwei Badetüchern und einem Haarföhn in der Hand. Neele saß neben ihm, als hoffte sie, ebenso wie ich, auf schnellstem Weg wieder trocken zu werden.
„Ahm … Hi!“ Irgendwie fühlte ich mich bei etwas Verbotenem ertappt, dabei hatte ich doch gar keine Schränke geöffnet. (Wobei, der Reiz war … schon da!)
Einen Moment musterte Julian mich mit einem seltsamen Ausdruck, ehe er eine Augenbraue nach oben zog und grinsend ein „Hi!“ zurück gab.
„Tolle Fotos.“ Schnell deutete ich auf die eingerahmten Bilder an der Wand, die Julian mit Neele und Lena mit Jazzman zeigten. Auf einem war sogar ihr Vater mit den beiden Kindern zu erkennen. Ich wollte einfach irgendwie wieder von mir ablenken, das war zumindest mein Plan …
„Danke. Also … wenn du möchtest, kannst du dich unter der Dusche aufwärmen. Ich lege dir trockene Kleidung ins Bad, und wenn du fertig bist, steht für dich ein Kaffee bereit.“ Sehr gut, es hatte geklappt, und … was für ein verlockendes Angebot. Ein Mann, der mitdenkt! Ich war begeistert, doch auch verunsichert. Immerhin kannten wir uns dann doch noch nicht so gut, als dass ich mich bei dem Gedanken wohlfühlte, in seinem Bad nackt unter der Dusche zu stehen.
„Ich weiß nicht … ich kann auch daheim duschen. Ich möchte dir keine Umstände bereiten.“
„So ein Blödsinn, du machst mir keine Umstände, Jana! Abgesehen davon würde ich es mir ewig selbst vorwerfen, wenn du dich wegen mir verkühlst.“
Da war dann wohl was dran. Bis Neele mit ihrem dichten Fell trocken sein würde, würde es sicherlich noch eine ganze Weile dauern. Dann wollte sich Julian auch noch kurz duschen und umziehen. Und bis wir dann endlich bei mir in der Wohnung wären, hätte ich mir bei meinem Glück tatsächlich eine Erkältung eingefangen. „Okay. Aber den Kaffee trinken wir später gemeinsam.“
Denn ganz davon abgesehen wollte ich nicht so schnell wieder weg, denn hier konnte ich sicher noch Einiges über Julians Leben erfahren.
Eine halbe Stunde später war ich geduscht und trug Julians Jogginghose sowie ein schwarzes T-Shirt mit Smiley-Aufdruck. Dazu olivgrüne Socken, die mir verrieten, dass er dem österreichischen Bundesheer wohl seinen Dienst erwiesen hatte. Meine frisch gewaschenen Haare hatte ich, so gut es ging, mit dem Handtuch trocken gerubbelt und zu einem wilden Knoten hochgebunden. Als ich mir im Bad das T-Shirt überzog, hatte ich einen Moment innegehalten und Julians Duft aufgesogen, der sich in den Fasern festgesetzt hatte. Julians Shirt auf meiner Haut – die Vorstellung, dass er es zuletzt getragen hatte – ein tiefes Seufzen war mir entwichen. Vielleicht würde ich es ihm einfach nicht mehr zurückgeben und jeden Abend vor dem Schlafengehen damit kuscheln und daran riechen …? Ein verlockender Gedanke! Irgendwie fühlte ich mich wieder wie ein Teenager.
Julian war eben ins Bad verschwunden und ließ mich nun mit seiner Hündin alleine. Diese lag mit trockenem Fell auf dem Teppich neben der Couch und bearbeitete mit höchster Konzentration einen Hundeknochen. Sie schien völlig vertieft zu sein in ihre Arbeit. Ich traute mich nicht, sie zu streicheln, auch wenn ich wusste, dass sie äußerst gutmütig war. Doch ich hatte von Hunden genauso viel Ahnung wie von Pferden, also ließ ich sie in ihrer eigenen Welt und hing meinen Gedanken nach.
Mir wurde bewusst, dass uns gerade in dem Moment nur eine einzige Tür voneinander trennte. So nahe und doch so weit von mir entfernt stand Julian – nackt! Mir wurde ganz heiß bei der Vorstellung, wie gerade in diesem Augenblick das warme Wasser über seine Haut floss. Ich sah seinen unverschämt gut gebauten Körper vor mir, zur Hälfte eingeseift, umhüllt von heißem Dampf. Puh ...! Ich brauchte einen großen Schluck von meinem Wasserglas, um mich etwas abzukühlen.
Was würde ich nur dafür geben, jetzt ein Mäuschen zu sein … Oder Supermans Röntgenblick zu haben. Andererseits hätte ich auch einfach aufstehen können, um zu ihm reinzugehen … Doch dafür fehlte mir eindeutig der Mut.
Ich spielte das Szenario mehrere Male in meinen Gedanken durch – mit verschiedenen Ausgängen. Ich hatte ja keine Ahnung, wie er reagieren würde. Mal sah er mich total überrascht an und gab mir
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