Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
Rucksack gepackt - Schal, Mütze, Handschuhe und natürlich das Allerwichtigste: die Schwimmweste.
Auf dem Weg zum Hafen
Frühmorgens steckte man mich in einen wasserdichten, gelben Overall. Zum Schluss wurde mir der Südwester (wasserdichter gelber Hut, hinten mit breiter Krempe) bis über die Ohren gezogen, damit mir bei eventuellem Regen das Wasser nicht in den Nacken lief. Endlich war ich fertig. Als letzte Ermahnung rief meine Mutter hinter uns her: „Steht den Fischern nicht im Weg! Und Du, Livi, hör auf Deinen Vater!“ Ich hätte hoch und heilig alles versprochen, was meine Mama hören wollte. Ich war sogar am Abend vorher ohne Murren freiwillig früher zu Bett gegangen.
Im Morgengrauen trottete ich noch recht verschlafen mit meinem Vater zu den Krabbenfischern. Der Kapitän begrüßte uns mit einem kräftigen Händedruck und hievte mich an Bord. „Na, kleines Frollein, dann wollen wir mal!“ Der Alkoholfahne nach zu urteilen hatte er wohl zum Munterwerden und zum inneren Aufwärmen dem Rum ohne Tee zugesprochen, was ja auch zu dieser frühen und kalten Morgenstunde verständlich war. Zum äußeren Schutz gegen die Kälte trug er eine orangefarbene, wetterfeste Kluft. Seine Augen waren kornblumenblau und schauten verschmitzt aus einem wettergegerbten, und mit Falten übersätem Gesicht. Kräftig schnäuzte er sich in einen mit Öl verschmierten Lappen und wies mit seinen Pranken gen Himmel. „Es braut sich ein kleines Schittwetter zusammen, aber wir können es riskieren!“ „Peder!“, hatte er gegen den auflandenden Wind gebrüllt, „Leinen los, es wird Tied!“, wobei seine Pfeife im rechten Mundwinkel wie festgeklebt hing und sich keinen Zentimeter bewegte. „Peder“ war ein kräftiger, gedrungener Mann mit roten Hängebacken und einem Doppelkinn, dem man ansah, dass er über einen gesegneten Appetit verfügte und auch einem kräftigen Schluck nicht abgeneigt war.
„Sturmvogel“, so hieß der Kutter, war aus Holz. Das Boot hatte schon einige Jahre auf dem Buckel, war aber immer noch seetüchtig. Langsam manövrierte der Kapitän das Boot aus dem Hafen, wo uns eine steife Brise empfing. Der Wellengang war auch nicht zu verachten. Schleunigst zog mein Vater mir die Schwimmweste über und zurrte die Riemen fest. Unter dem gleichmäßigen Tuckern des Motors waren wir weit hinaus geschippert, begleitet vom Geschrei der Möwen, die auf Beute hofften. Die Fischer hatten ihre Fangnetze, die bis zum Meeresgrund absanken, ausgeworfen und schleppten sie hinter sich her. Nach etwa zwei Stunden machte der Kapitän seine Leute auf eine dunkle Wolkenbank aufmerksam, die sich mit ungeheurerer Geschwindigkeit aufbaute. Der Himmel verfinsterte sich zusehends, der Wind nahm an Stärke zu. „Holt die Netze rein, dalli, dalli!“, brüllte er, „wir müssen zurück zum Hafen, Sturmflut!“ Ein greller Blitz war zu sehen, dem ein ohrenbetäubender Donner folgte. Die Wellen türmten sich mehr und mehr auf. Es herrschte ein derartiger Sturm, dass niemand den anderen verstand, wenn er ihm nicht direkt ins Ohr brüllte. Mein Vater und ich hatten uns in eine Ecke verkrochen, um den Leuten nicht im Wege zu sein. Hektik brach aus, jedoch zum Wenden war es zu spät. Wie von Geisterhand brach der Sturm heulend über uns herein, er peitschte die Wellen meterhoch. Die Gischt klatschte über die Reling. Wie eine Nuss-Schale wurde der Kutter hin und her geschleudert. Das Schiff knarrte und ächzte. Immer wieder erklomm der Sturmvogel riesige Wellenberge, und stürzte dann hinab in gewaltige Wellentäler. Mannshohe Brecher schwappten über den Kutter. Meinem Vater und mir wurde es himmelangst. Es war der reinste Höllenritt. Das tosende Element versuchte immer wieder, den Kutter zum Kentern zu bringen. Halb stand er bereits voll Wasser, die Pumpen versagten den Dienst. Die Männer schöpften mit Eimern das Wasser aus dem Boot und kippten es über Bord. Sie waren damit so beschäftigt, dass sie das Herannahen einer gigantischen Wasserwand nicht bemerkten. „Springt, alles über Bord, springt!“, brüllte der Kapitän, und dann krachten die Wassermassen schon über dem Kutter zusammen. Fenster barsten, Holz splitterte. Vor Angst schrie ich auf. Ich wurde von einem ungeheuren Sog erfasst und ins Meer geschleudert. Meinem Vater erging es nicht besser. Die Welle erfasste auch ihn. Die Rettungsweste hielt meinen Kopf über Wasser. Das Meer war eiskalt. „Papi, Papi!“, schrie ich verzweifelt, „wo bist Du?“ Weiter kam ich
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