Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
Vor mir tauchte ein Babyzimmer auf. Kleine, süße Babys schliefen selig in ihren schaukelnden Wiegen. Einige nuckelten an ihren Däumchen. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden und wäre am liebsten zu ihnen hinab gestiegen. Als ob ein Baby meinen Wunsch verspürt hätte, hob es langsam den Kopf, schaute mich mit seinen wunderschönen Augen an und streckte mir die Ärmchen entgegen. Verzweifelt versuchte ich, zu dem Baby zu gelangen. Es war nicht möglich. Aus weiter Ferne drang eine Stimme zu mir durch, die mir etwas zurief. Undeutlich zuerst, dann klarer: „Du bist stark, verzage nicht, Du wirst Dein Glück finden!“ Dann war die Kapsel verschwunden. Ich horchte noch eine ganze Weile, aber auch die Stimme war verstummt. Ich war allein.
Ein Ton, der nicht in meinen Traum passte, drang an mein Ohr. Schweißbedeckt wachte ich auf. Über und über mit Sand verklebt. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Einen Moment noch blieb ich mit geschlossenen Augen liegen. Es war absolut ruhig, von einem Geräusch keine Spur. Nur das beruhigende Plätschern der Wellen. Ich versuchte Ordnung in meine konfusen Gedanken zu bringen. Dann hörte ich es wieder. Ein Motorengeräusch, oh nein, das Flugzeug. Allmählich lichtete sich der Nebel, und ich nahm die Welt um mich herum wieder wahr. Mir wurde bewusst, was ich geträumt hatte. Die Musik, die Wasserelfen, der Gesang des Meeres, die Stimme aus der Tiefe. Schade, dass die Traumreise vorbei war. Aber jetzt hatte ich Klarheit, und ich wusste, was ich wollte. Das letzte Bild des Babys hatte sich in meinem Gedächtnis verankert. Die endgültige Entscheidung war gefallen. Der Frieden, die Ruhe und der Einklang mit der Natur hatten mir den Weg gezeigt, den ich zu gehen hatte. Ich würde das Kind bekommen!
Ich sprang auf, schüttelte den Sand aus meinen Haaren und rannte geradewegs zum Flughafen. Der Inselhopper setzte bereits zur Landung an, vollführte noch einige Hüpfer, rollte aus und stoppte fast am Ausgang, sodass die Passagiere nur wenige Schritte bis zu den wartenden Pferdekutschen hatten.
Tessas Ankunft auf Juist
Erwartungsvoll sehe ich meiner Freundin entgegen. Und da ist sie schon, wie sie leibt und lebt. Quirlig, wie ein frischer Frühlingswind, stürmte Tessa die Treppe hinab, stolperte und fiel dem gut aussehenden Piloten fast in die Arme. „Hallo Süßer, danke fürs Auffangen“, gluckste sie mit ihrer melodiösen Stimme vergnügt und schenkte ihm ein atemberaubendes Lächeln. „Ich lade sie zu einem echten Ostfriesen Tee ein, wie wär’s?“ „Gern!“, schmunzelte er. „Und wo?“ Aber Tessa war schon davon gehuscht. Wie immer, kecker Strohhut auf den welligen, dunklen Haaren, dicke Sonnenbrille auf der Nase. Ihre langen, schlanken Beine wurden von einer fast schon verboten engen Jeans umschmeichelt, und das knappe Oberteil rundete ihr Erscheinungsbild ab. Typisch Tessa. Sie ist ein Ausbund an Temperament und immer für ein Abenteuer zu haben. Falls ihr etwas nicht passte, nahm sie kein Blatt vor den Mund und sagte unverblümt ihre Meinung, ohne sich darum zu scheren, ob sie sich damit Feinde machte. „Wenn ihnen meine Meinung nicht passt, können sie ja gehen!“
Ihre Eltern und meine Familie wohnten in der gleichen Straße. Wir sind also praktisch miteinander aufgewachsen. Beide Einzelkinder. So unterschiedlich wir auch sind, so sind wir doch von Kindesbeinen an die besten Freundinnen. Wir wissen alles voneinander, jede noch so klitzekleine Kleinigkeit. Geheimnisse gibt es nicht zwischen uns, bis jetzt. Gemeinsam sind wir erwachsen geworden und haben „fast“ alles miteinander geteilt. Eine Zeitlang sogar die Jungs.
Lachend umarmte ich Tessa, schob sie ein wenig von mir, um sie besser ansehen zu können. „Hast Du etwa abgenommen“, spotte ich. „Was ist los?“ „Ach, das Übliche, Liebeskummer! Ich erzähl es Dir gern beim Essen!“ „So und jetzt zu Dir“, sprudelte sie daher, „ab sofort gibt’s nur noch uns zwei, und wehe, es drängt sich jemand zwischen uns, den werde ich eigenhändig erwürgen!“ Wie hatte mir der Übermut gefehlt. Jetzt würde alles gut werden.
„Wo ist Dein Gepäck?“, erkundige ich mich und sehe mich nach einem riesigen Schrankkoffer um, den Tessa ansonsten mitschleift. „Gepäck“, fragte Tessa gedehnt, „wozu Gepäck? Hier gibt es einen Nacktbadestrand, wenn auch nur einen klitzekleinen. Ansonsten braucht man zwei Jeans und ein paar Oberteile. Falls es mal regnen sollte, gibt’s ja die Ostfriesennerze. Mein
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