Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
dazu.“ Sein Kummer war so spürbar, dass ich ihn am liebsten in den Arm genommen hätte, um ihn zu trösten.
Für einen Moment schloss er die Augen, öffnete sie wieder, sah mich einen Herzschlag lang an und begann zu erzählen.
Stumm hörte ich zu, als Flavio mir sein Herz ausschüttete: der Unfall, die lange Einsamkeit und sein immer wiederkehrender Wunsch, auch nicht mehr leben zu wollen, vor dem ihn nur seine Kinder bewahrten. Er klang so hilfsbedürftig. Nach seinem Bekenntnis herrschte für einen Moment ein bedrückendes Schweigen. Mitfühlend nahm ich ihn in den Arm und legte seinen Kopf an meine Schulter. „Wir hatten noch so viel vor in unserem Leben“, stieß er hervor. „Aber das Schicksal beschloss etwas anderes. Und nun trittst Du nach den langen Jahren der Trauer in mein Leben und hast meine Welt verändert. Ich kann mich gegen meine Gefühle nicht wehren. Könntest Du Dir vorstellen, mit mir und den Kindern zusammenzuleben?“ Seine dunklen Augen schauten mich bittend an. “Komm mit mir nach Hause. Dort wartet die Kinderfrau auf uns mit meinen beiden Söhnen. Ich habe ihnen schon so viel von Dir erzählt, und gesehen haben sie Dich ja auch schon.“ „Ja“, sagte ich einfach und nickte zustimmend mit dem Kopf, „ich komme mit Dir nach Hause!“
„Oh’ Olivia“ hauchte er überwältigt. Mit Tränen in den Augen zog er mich an sich und flüsterte: „Ich werde immer für Dich da sein, Du wirst nie wieder allein sein, das schwöre ich Dir im Angesichts Gottes. Wir werden zusammenbleiben und alles gemeinsam tragen. In guten wie in schlechten Tagen. Ich werde Dich nicht enttäuschen.“ Er blickte mich so voller Liebe an, dass ich wusste: Hier ist ein Freund und ein Mensch, auf den ich mich verlassen kann. Mit seinen Händen umschloss er meine kalten Finger und drückte einen Kuss auf meine Stirn. Hand in Hand verließen wir die kleine Kapelle, und traten hinaus in den anbrechenden Abend. Der Wind säuselte durch die Zweige, die Blätter wisperten. „Habt ihr schon gehört, was sich hier zugetragen hat?“ Und so flog die Geschichte von Baum zu Baum und von Wald zu Wald. Am nächsten Tag würden es die Vögel weiter zwitschern. Wir stiegen dem abfallenden Weg hinunter mit der Gewissheit, dass sich ab heute unser Leben endgültig verändern würde.
Am späten Abend trafen wir uns zu viert zu einem gemütlichen Plausch. „Was ist mit Euch?“, fragte Tessa. „Ihr seht so feierlich aus. Habe ich etwas verpasst?“ „Wartet“, kündigte Flavio mit geheimnisvoller Miene an, „zuerst einen Schluck Champagner.“ Ich konnte mich jedoch nicht zurückhalten. Übersprudelnd vor Glück erzählte ich, was geschehen war. Flavio strahlte vor Freude über das ganze Gesicht und schloss mich in die Arme. Er nahm meine Hand, hob sie an seine Lippen und küsste zärtlich jeden einzelnen Finger. „Ihr Lächeln erwärmt immer wieder mein Herz“ murmelte er glücklich. „Herzlichen Glückwunsch“, riefen Tessa und Edmundo, „aber wir haben Euch auch etwas zu berichten! Wir“, verkündete Tessa freudestrahlend, wobei ihr Edmundo immer wieder ins Wort fiel, „wir werden Weihnachten heiraten!“ – „Nein, das ist ja großartig, das ist ein Grund zum Feiern!“ Es wurde eine lange Nacht.
Am Wochenende saßen Olivia und Tessa in einem dicken Pullover auf der Terrasse, einen Becher heiße, dampfende Schokolade in der Hand. Graue und silbrige Winterwolken zogen über die Berge. Die Vorboten des Winters machten sich bemerkbar. Beide hatten sie keinen Blick für die Schönheit der Natur. Zettel um Zettel wurden bekritzelt und wieder verworfen. Nach stundenlanger Tätigkeit hatte alles seinen festen Platz.
Weihnachten und die Hochzeit waren nicht mehr allzu weit entfernt. Die Gäste mussten rechtzeitig eingeladen werden.
Weihnachten und Hochzeit von Edmundo und Tessa
Die Tage vergingen wie im Flug. Der große Tag rückte unerbittlich näher. In der Finca herrschte Hektik pur. Treppauf, treppab, endlich war es geschafft. Das Haus war geputzt, die Gästezimmer vorbereitet, alles glänzte im weihnachtlichen Schmuck, so wie es in Deutschland üblich war. „Kommt einmal mit!“ Mit einem geheimnisvollen Gesicht traten Tessa und ich ins Kaminzimmer und schalteten die Deckenleuchte ein. „Gefällt er Euch?“ Flavio und Edmundo bestaunten das Kunstwerk von einem Tannenbaum. Bunte, silberne und goldene Kugeln hingen an den Tannenzweigen, hier und dort eingerahmt von Lamettafäden. Geschenke, eingepackt in
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