Auf Umwegen zum Glück (German Edition)
Gefühle wühlten sein ganzes Inneres auf, und ließen seine Augen feucht werden. „Ich wusste nicht, wie einsam ich war, bevor ich Dich kennen lernte“, flüstert er ihr ins Ohr. „Und ich“, murmelt sie, „wusste nicht, wie viel Liebe mein Herz zu verschenken hat, bevor ich Dich kennen lernte.“ Im nächsten Moment trat der Pastor auf sie zu und die Zeremonie begann. Unterdrücktes Schluchzen aus dem Hintergrund wurde vernehmbar. Das „Ja“ der beiden schwang sich durch das Kirchenschiff hinauf bis zur Kuppel und besiegelte das Eheversprechen. Unter den verklingenden Tönen des Ave Maria, das die Schwester von Edmundo sang, leerte sich die Kathedrale.
Hunderte von Schaulustigen hatten sich auf dem Vorplatz eingefunden. Jeder wollte dem Brautpaar die Hand schütteln. Segenswünsche wurden gerufen, Reiskörner geworfen, sogar ein Kinderchor hatte sich aufgestellt und stimmte unter der Leitung des Pastors ein fröhliches Lied an.
Völlig aufgelöst erreichten Edmundo und Tessa die Kutsche, quetschten sich so schnell es ging hinein, der Kutscher knallte mit der Peitsche und ab ging es im Trab nach Hause.
Flavio war schon vorausgeeilt. Ein totales Tohuwabohu empfing ihn. Küchenchefs brüllten den Köchen Befehle zu, Bedienungspersonal rannte kopflos zwischen den Gästen herum. Er raufte sich die Haare und dachte, dass es in einem Bienenkorb wohl reibungsloser zugehen würde. Er sah sich das Fiasko einen Moment lang an, raste zur Musikkapelle, ließ einen Tusch spielen - der Lärm erstarb auf der Stelle. „Ich hoffe, Ihr freut Euch ebenso wie ich“, erhob er seine Stimme, „mit dem frisch verheirateten Paar auf eine glückliche Zukunft anzustoßen.“ Einen Moment lang schienen alle die Luft anzuhalten, dann brach ohrenbetäubender Beifall aus. „Hurra! Hurra!“, schrien sie und ein paar ganz Übermütige ließen verfrüht einige Knallkörper los. Flavio hob die Hände und versuchte Ruhe herzustellen, aber sie achteten nicht auf ihn. Er wandte sich erneut an die Kapelle, ließ nochmals einen Tusch spielen und forderte die Gäste auf, Platz zu nehmen und der Dinge zu harren, die auf sie zukommen würden.
Pferdegetrappel, Peitschengeknall, Türenschlagen und dann erschienen etwas derangiert die Brautleute. Edmundo nahm Tessas Arm und führte sie zum Haus, wo das Hochzeitsessen auf sie wartete. Das musste jedoch noch etwas hinaus geschoben werden. Es war seit alters her so Brauch, dass bei der Abreise der Brautleute der Hochzeitsstrauß geworfen wurde. Die Dame, die den Brautstrauß auffängt, würde die nächste Glückliche sein. Edmundo und Tessa hatten jedoch beschlossen, den Hochzeitsstrauß vor dem Essen zu werfen, damit sie sich später still und heimlich verdrücken konnten. „Alle jungen Damen aufstellen!“, rief Flavio. „Los geht’s!“ Augenblicklich drängten sich kichernde junge Mädchen nach vorn, Tessa trat vor, drehte sich um und „eins und zwei“, sie hob die Arme, und „drei“, und schon flog der Strauss in hohem Bogen auf die hin und her zappelnden Damen zu. Gekreische, eine wilde Balgerei, und aus dem Getümmel tauchte freudestrahlend ein wilder Lockenkopf auf, die Blumen fest an sich pressend. „Livi“, jubelte Tessa, ich fass es nicht, „Glückwunsch, Du bist die Nächste!“
„Bitte, Platz nehmen!“, rief Edmundo. Erwartungsvolle Stille machte sich breit, als die Ober hintereinander aus der Küche marschierten und den Gästen den ersten Gang servierten. Es gab mehrere Gänge, und jeder Gang war ein Erlebnis für sich. Aufgetischt wurde gegrillter Staudensellerie, Fischfilet mit einer Gewürz-Zwiebel-Kruste, Steinbutt mit Austern, Filet de Boeuf, Crema Catalana, Poire belle Hélène und noch viele andere Leckereien. Zwischen den einzelnen Gängen wurden Reden geschwungen, alte Geschichten aus dem Leben von Edmundo zum Besten gegeben und dann wieder weiter geschlemmt. Es war ein gelungenes Fest, die Gäste fühlten sich pudelwohl. Ab und an stand einer der Herren auf, öffnete den Hosenbund, putzte den Schweiß von der Stirn, tat ein paar Schritte, um sich dann wieder ächzend niederzulassen. So manch ein Schnäpschen wurde konsumiert, um, wie man sagt, den Verdauungsprozess anzukurbeln. Bevor die Gäste jedoch in Müdigkeit versanken, klatschte Flavio in die Hände und posaunte: „Und jetzt tanzt unser Brautpaar den Hochzeitswalzer.“ Die Damen stürmten als erste los, während die Herren sich mühsam von ihrem Hinterteil erhoben. Nach einigen Umdrehungen hob Edmundo
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