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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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Liebes?“
    „Beverley“, antwortete Julia
unfreundlich. Am liebsten hätte sie gesagt: „Das geht Sie nichts an“, hielt das
dann aber doch für zu unhöflich.
    „Bist du sicher, daß du nicht Julia
heißt?“ fragte die Frau in der pinkfarbenen Hose und sah die beiden intensiv
an. „Natürlich“, sagte Julia, „ich heiße Beverley.“ Sie bedachte die Frau mit
einem Blick, der soviel ausdrücken sollte wie: Warum fragen Sie so blöd? Julia
konnte nach außen hin zwar die Ruhe bewahren, aber im Bauch begann schon die
Panik.
    „Und wie steht es mit dir, junger Mann?
Laß mich mal raten. Ich wette, du heißt Nathan. Hab ich recht?“
    „Ich weiß überhaupt nicht, was Sie
wollen“, sagte Nathan.
    „Nun ja, wie es aussieht, seid ihr
allein. Stimmt’s?“
    „Wir sind mit unseren Eltern da“, sagte
Nathan. „Auf dem Campingplatz.“
    Aus den Augenwinkeln heraus hatte er
einen Bus über die Hügelkuppe kommen sehen. Das mußte der richtige sein. Noch
ein paar Minuten, und sie konnten sich aus den Fängen dieser schrecklichen,
gefährlichen Frau befreien.
    „So — auf welchem Campingplatz denn?“
Plötzlich war die Frau ganz aufgeregt. Ihre Stimme zitterte richtig in der
frohen Erwartung, Nathan überführen zu können, ihm eine Frage zu stellen, die
er nicht beantworten konnte.
    Nathan starrte sie an, er haßte sie. „Na,
Sie wissen schon, den da oben“, versuchte er sich rauszureden. Dann hatte er
eine Eingebung. „Auf dem Lorna-Doone-Campingplatz.“
    Der Frau fiel die Kinnlade herunter. „Ja,
den kenne ich“, gab sie enttäuscht zu. „Da kommt euer Bus. Tschüß.“
    Nathan stieß Julia mit einem
triumphierenden Grinsen den Ellbogen in die Seite, als sie in den Bus stiegen.
Es gab tatsächlich einen Campingplatz, der Lorna Doone hieß. Als ob er es
geahnt hätte!
     
    In Brighton suchte die Polizei
unterdessen die ganze Stadt nach den vermißten Kindern ab. Sie befragten gerade
die Besitzer von Pensionen am Ort, und eine unglückliche Mrs. Parsons sprach
mit einem freundlichen Polizisten.
    „Sie war so ein nettes Mädchen“, sagte
Mrs. Parsons zum vierzehnten Mal, „der Himmel weiß. Wer hätte das gedacht? Der
Junge war ein bißchen unfreundlich, aber das Mädchen! So besorgt um die Mutter
und so sensibel. Diese ganzen Geschichten, und keine davon wahr! Weiß der
Himmel! Wer hätte das gedacht!“
    „So, dann beschreiben Sie doch noch
einmal, wie sie ausgesehen haben“, bat der Polizist. „Der Junge trug keine
Brille, haben Sie gesagt.“
    „Nein, aber wenn ich es mir recht
überlege... hätte er natürlich eine gebraucht. Er lief ständig mit
zusammengekniffenen Augen herum und ging immer ganz nah an die Sachen heran,
als sei er schrecklich kurzsichtig. Weiß der Himmel, ich hätte etwas merken
müssen. Nicht wahr?“
    „Nein, nein“, sagte der Polizist
beruhigend, „Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen, schließlich sind Sie
kein Detektiv. Und das Mädchen? Sie war so angezogen, daß sie älter wirkte,
wenn ich das richtig verstanden habe. Trug die Haare offen...“
    „Oh nein!“ unterbrach ihn Mrs. Parsons.
    „Nein? Aber der Mann, der sie unten an
der Promenade zu fassen bekam, hat sie uns so beschrieben.“
    „Oh nein! Hab ich Ihnen das nicht
gesagt? Sie hat sich die Haare abgeschnitten. Der ganze Fußboden war voll. Sie
müssen nach einem Mädchen mit kurzgeschorenem Haar suchen. Der ganze Fußboden
war voll davon — das arme Mädchen und ich mußte es zusammenkehren.“
    „Danke, Mrs. Parsons“, sagte der
Polizist und schrieb diese Information in sein Notizbuch.

 
    11.
     

Der Sturz
     
     
     
    „Hast du gesehen, wie an der Frau alles
gewackelt hat?“ fragte Nathan boshaft. „Wie bei einem Wackelpudding. Ein
großer, dicker, pinkiger Wackelpudding.“
    Er kicherte, und auch Julia mußte
kichern. Sie hielten sich den Bauch und lachten ihre Erleichterung heraus. „Wackel-wackel“,
sagte Nathan, und das Gelächter ging von neuem los.
    Sie saßen nebeneinander im vorderen
Teil des Busses und beobachteten, wie draußen das Sonnenlicht in Streifen über
das endlose Grün wanderte.
    „Nathan“, sagte Julia unvermittelt, „wie
sollen wir die Zelte denn tragen?“
    „Was meinst du?“
    „Na ja, sie sind doch groß und schwer —
und dann noch die Schlafsäcke und die anderen Sachen. Wie sollen wir das alles
tragen?“
    Nathan reagierte beleidigt. Alles lief
so glatt, und da mußte sie es verderben. „Keine Ahnung“, sagte er
eingeschnappt. „Überleg du

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