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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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bis die Geschäfte öffneten und sie ihre
Zelte kaufen konnten. „In so einem Zelt ist es bestimmt auch kalt“, vermutete
Julia. Sie schauderte bereits in der feuchten Nachtluft.
    „Wir kaufen uns doch auch Schlafsäcke“,
erklärte Nathan, der sich durch sein eifriges Lesen in solchen Sachen auskannte.
„Oh. Das ist gut. Was kaufen wir noch?“
    „Weiß nicht. Doch, einen kleinen
Campingkocher und einen Topf.“
    „Einen richtigen Ofen? Im Zelt?“
    „Einen ganz kleinen bloß. Es gibt
spezielles Zeug, mit dem er brennt.“
    „Stell dir das mal vor! Einen eigenen kleinen
Ofen!“ Julia war ganz hingerissen von der Vorstellung und konnte es kaum
erwarten. „Was kaufen wir noch, Nathan?“
    „Hm — ein paar Dosen Gulasch und so,
die wir auf dem Ofen warm machen können.“
    „Und eine Lampe, wenn’s dunkel wird.
Sollen wir eine große Taschenlampe mit Batterie kaufen?“
    „Ja, gut. Ein Licht brauchen wir
natürlich auch. Das wird super, Jule, was?“
    „Wenn es nur schon Morgen wäre.“
    Gegen Morgengrauen schliefen sie ein
wenig. Als sie aufwachten, waren sie steif und verkrampft und durchgefroren bis
auf die Knochen.
    „Ich hab Hunger“, sagte Julia.
    „Die Geschäfte haben sicher noch nicht
offen. Außerdem ist es besser, wenn wir noch ein wenig hierbleiben. Die Leute
brauchen uns so früh noch nicht draußen zu sehen.“
    Sie hielten also noch eine Weile aus,
doch als sie etwas später die Treppe vom Strand hinaufstiegen, lag die Straße
mit den merkwürdigen kleinen Häusern immer noch verlassen da. Sie ließen sich
Zeit, da sie wußten, daß sie noch nirgendwo etwas zu essen bekommen würden.
    Dieses Mal nahm Nathan seine Umgebung
anders wahr. Er gewöhnte sich langsam daran, ohne seine Brille zu leben.
Inzwischen konnte er schon Schilder lesen, wenn sie nicht allzuweit weg und die
Buchstaben groß genug waren. Ihm fiel auf, daß auf vielen Schildern „Lorna
Doone“ geschrieben stand mit irgendeinem Zusatz dabei, und der Name erinnerte
ihn an eine Geschichte mit diesem Titel, die er im letzten Winter gelesen
hatte. Ein Stück davon zumindest. Um die Wahrheit zu sagen, hätte er auch das
Stück nicht gelesen, wenn die Dame in der Bücherei nicht behauptet hätte, das
Buch sei zu schwer für ihn. Daraufhin mußte er es natürlich erst recht
mitnehmen, um es ihr zu zeigen.
    Aber sie hatte recht gehabt. Das Buch
war zu schwer für ihn gewesen. Eine Stelle, ziemlich am Anfang, hatte ihm
jedoch gefallen. Sie handelte von einem Fluß mit schnellfließendem dunklen
Wasser und grünbewachsenen Uferböschungen und einem Jungen, der gegen den Strom
watete und ein kleines Mädchen fand, das gekidnappt worden war. Diese Stelle
hatte Nathan ein paarmal gelesen. Er hatte auch versucht weiterzulesen, war
jedoch immer wieder hängengeblieben. Schließlich hatte er das Buch in die
Bücherei zurückgebracht. Der Dame hatte er natürlich gesagt, daß er es von
Anfang bis Ende gelesen hätte.
    Nathan nahm an, daß eine Menge Leute in
dem Dorf die Geschichte gelesen haben mußten.
    Auf dem Weg zur Einkaufsstraße kamen
sie wieder an dem Geschäft mit der Landkarte im Fenster vorbei. Da hatte Nathan
eine Idee. Er ging zurück, preßte die Nase ans Schaufenster und versuchte die
Namen auf der Karte zu entziffern. „Warum guckst du dir die blöde Karte an?“
fragte Julia.
    „Sie ist nicht blöd. Ich glaube, das
ist eine Karte von hier — wo wir gerade sind. Komm her, Jule, komm und sag mir,
was draufsteht.“
    Widerwillig kam Julia zurück. Sie
wußte, daß sie die Namen auf der Karte nicht würde lesen können. „Wo?“ fragte
sie ungnädig.
    „Da — sag mir einfach die Buchstaben.
Ich kann sie nicht richtig sehen.“
    Julia konzentrierte sich. Das Wort, auf
das Nathan zeigte, schien nicht allzu lang zu sein. Die Schande, Nathan nur die
Buchstaben zu nennen, würde sie nicht aushalten. Sie würde das ganze Wort
lesen. Jawohl. „Ex-ex-m-m-m-moor. Exmoor“, verkündete sie triumphierend.
    „Exmoor? Bist du ganz sicher?“
    „Ja, so steht es hier.“ Julia glühte
vor Stolz. Sie hatte schon wieder ein Wort gelesen, ganz allein.
    Nathan hockte sich auf den Bürgersteig,
runzelte die Stirn und nickte ununterbrochen mit dem Kopf.
    „Was soll denn das?“
    „Ich denke nach.“
    „Weißt du denn jetzt, wo wir sind?“
    „So ungefähr weiß ich es. Ich weiß, was
Exmoor ist. Ich hab mal was im Fernsehen darüber gesehen, und gelesen hab ich
auch was, eine Geschichte — „Lorna Doone“. Es gab mal Räuber

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