Auf und davon
hupten, als sie an ihm
vorbeifuhren. Julia bekam es mit der Angst zu tun. Sie trat kräftiger in die
Pedale, um ihn einzuholen, und rief warnend: „Fahr auf dem Gehsteig — sonst
passiert noch was!“
Nathan ärgerte sich über die Kritik. „Okay,
okay“, rief er zurück und radelte nur noch schneller. Julia folgte ihm voller
Angst. Nathan hatte inzwischen eine ganz schöne Geschwindigkeit erreicht, und
sie mußte sich schwer ins Zeug legen, wenn sie nicht zurückbleiben wollte.
Unglücklicherweise war ein Wagen mit
einem schlechtgelaunten Mann am Steuer noch schneller. Er fuhr dicht an Nathan
vorbei und hupte. Aufgeschreckt von der lauten Hupe und dem Wagen so dicht
neben sich, kam Nathan ins Schleudern. Mit dem Vorderrad berührte er die
hintere Stoßstange des Wagens und landete auf der Straße, das Fahrrad auf ihm.
Julia wurde ganz übel. So schnell sie
konnte, radelte sie zu der Stelle, wo Nathan unter seinem Fahrrad begraben lag
und wo sich bereits einige Menschen versammelt hatten.
„Bist du in Ordnung, Kleiner?“ fragte
jemand.
Nathan sagte nichts, doch innerlich
tobte er. Diese Schande! Daß er vom Fahrrad fallen mußte — er, nicht Julia! Sie
war doch die Ungeschickte von ihnen beiden und nicht er. Ihr passierte doch
ständig irgendwas.
„Ich glaube, er hat sich ernsthaft
verletzt. Wir sollten einen Krankenwagen rufen.“ Ein freundlich aussehender
Mann aus der Menge hatte das gesagt.
„Ja, wo ist das nächste Telefon?“
Hände hoben das Fahrrad hoch, und jetzt
erst kapierte Nathan, was die Stimmen gesagt hatten. Einen Krankenwagen?
Krankenhaus? Mit Fragen? Nein! Ein heftiger Schmerz zuckte durch sein
Handgelenk, als er sich aufsetzte, doch er unterdrückte den Schmerzensschrei. „Ich
bin okay“, sagte er, „ich brauche keinen Krankenwagen.“
„Bist du sicher?“ fragte der
freundliche Mann. „Du bist ziemlich böse gestürzt, es könnte was gebrochen
sein.“
„Nein, ich bin okay“, wiederholte
Nathan und rappelte sich auf. Er biß sich auf die Lippe, um das Stöhnen zu
unterdrücken, als der Schmerz wieder durch sein Handgelenk fuhr.
„Ja, bestimmt, er ist okay, er ist
bestimmt okay!“ Julia hatte endlich ihren lähmenden Schock überwunden, trat vor
und griff nach Nathans Arm.
„Aber er hat sich doch am Arm verletzt,
oder?“ hakte der Mann noch einmal nach.
„Nein, hat er nicht“, beteuerte Julia
mit Nachdruck. „Du hast nichts am Arm, N- Charlie, oder?“
„Nein, alles okay“, wiederholte Nathan.
Wenn sie doch bloß alle verschwinden würden, damit er in Ruhe leiden konnte! Der
Schmerz war fast unerträglich.
„Kannst du ihn bewegen?“ fragte der
freundliche Mann.
„Klar, kann ich, kein Problem.“ Für die
versammelte Menge schüttelte Nathan seinen verletzten Arm. Worte können nicht beschreiben,
was ihn das kostete.
„Na ja...“, meinte der freundliche Mann
zweifelnd. „Wenn du mein Junge wärst, würde ich darauf bestehen, daß er
geröntgt wird, nur um sicherzugehen, daß nichts gebrochen ist.“
„Nein, nein“, sagte Julia, „gebrochen
ist bestimmt nichts. Nicht wahr, Charlie?“
„Ich kann mir nicht vorstellen, woher
du das wissen willst“, sagte der freundliche Mann recht unfreundlich zu Julia,
aber er ging trotzdem weg, und die Menge zerstreute sich.
„Tut es sehr weh?“ fragte Julia
ängstlich.
„Und wie!“
„Laß mal sehen.“
„Nein — geht schon.“
„Du bist sehr tapfer.“
„Ach was, ich bin blöd. Ich bin vom Rad
gefallen.“
„Vergiß es. Kannst du weiterfahren?“
„Weiß nicht.“
Nathan fühlte sich ziemlich elend, und
das letzte, was er wollte, war, wieder auf sein Rad zu steigen. „Ich glaube,
ich schiebe es erst mal ein Stück.“
„Wir schauen nach einem Café und
trinken eine Tasse Tee.“
„Tee?“
„Ja, mit viel Zucker. Das gibt man
Leuten, die einen Schock haben.“
Nathan wunderte sich über sich selber,
doch der Gedanke an eine Tasse süßen, heißen Tee gefiel ihm, obwohl er
normalerweise viel lieber Cola trank.
Sein Handgelenk tat sehr weh und
schwoll auch schon an, aber das Rad konnte er gerade noch halten, während er es
mit dem anderen Arm schob.
Sie fanden ein kleines Café und gingen
hinein. Zu dem Tee bestellten sie sich gleich noch belegte Brote und klebrigen
Kuchen, und als sie gegessen hatten, ging es Nathan ein klein wenig besser.
Sein Handgelenk schmerzte und pochte immer noch, aber langsam gewöhnte er sich
an den Schmerz. „Laß uns jetzt die Zelte holen“, sagte er.
Der
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