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Auf und davon

Auf und davon

Titel: Auf und davon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Thomas
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dritte Fußgänger, den sie fragten,
konnte ihnen sagen, wo sie ein Geschäft für Campingausrüstung finden würden. Es
war ziemlich weit zu gehen und anstrengend dazu, da sie ja die Räder neben sich
her schoben, aber dann entpuppte sich das Geschäft als echte Fundgrube.
    „Schau dir das an!“ rief Nathan
begeistert. „Sollen wir uns so eines kaufen?“ Er stand vor einem Steilwandzelt,
fast so groß wie ein Haus und mit mehreren „Zimmern“.
    „Du spinnst ja“, sagte Julia. „Wie
sollen wir das denn auf unsere Fahrräder kriegen?“
    Am Ende entschlossen sie sich auf den
Rat des Verkäufers hin für zwei kleine Ein-Mann-Zelte mit Boden und zwei
federleichte Schlafsäcke, die sich ganz klein zusammenrollen ließen. Sie
brauchten noch andere Dinge, wie zum Beispiel Rucksäcke und einen Hammer, um
die Zelt-Heringe in den Boden zu schlagen, außerdem einen Campingkocher und Gas
dazu, einen Topf, der auf den Kocher paßte, die Taschenlampe für abends,
Plastikteller, Besteck und einen Dosenöffner. Das Beste in Nathans Augen war
ein Pfadfindermesser mit allen möglichen Funktionen, eines, wie man es unter
gar keinen Umständen mit in die Schule bringen durfte. Er hätte sich noch viel
mehr über das Messer gefreut, wenn in dem Augenblick sein Arm nicht wieder
heftig zu pochen angefangen hätte. Der Schmerz machte ihn wütend und gereizt.
    „Wie weit ist es bis Exmoor?“ fragte er
den Verkäufer. „Exmoor? Hm — zwanzig Meilen, schätze ich mal. Ja, gut zwanzig
Meilen sind es bestimmt.“
    Zwanzig Meilen! Nathan wußte, daß er
das Fahrrad keine zwanzig Meilen weit würde schieben können. Er schaute den
Verkäufer böse an, als sei es dessen Schuld, daß Exmoor so weit weg war.
    Sie mußten irgendwo in der Nähe einen
Platz finden, wo sie die Zelte aufschlagen konnten. Doch zuallererst mußten sie
ihre ganze Habe auf die Fahrräder packen. Die meiste Arbeit mußte natürlich
Julia machen. Nathan sah zu und machte sie nörgelnd auf jeden Fehler
aufmerksam, obwohl er insgeheim zugeben mußte, daß sie sich gar nicht so ungeschickt
anstellte. Für jemanden, der ständig über die eigenen Beine stolperte, war sie
erstaunlich geschickt mit den Händen. Es gelang ihr tatsächlich, alles sauber
und ordentlich zu verstauen. Aber da Nathans Schmerzen ihn ganz durcheinander
brachten und mißlaunig machten, konnte er nur Fehler finden.
    „Das ist doch Quatsch... Warum tust du
das dahin, du Trottel? Mach’s doch so!“
    „Warum meckerst du immer nur rum?“
beschwerte sich Julia schließlich. „Ich tu, was ich kann.“
    „Mein Arm tut weh.“
    „Ich weiß, daß er weh tut. Es ist nicht
meine Schuld, daß du vom Rad gefallen bist.“
    „Die Idee mit den Rädern stammt von
dir!“
    „Ja, und?“
    „Wenn wir keine Räder hätten, wär ich
nicht runtergefallen. Und jetzt komm.“
    Nathan schob das beladene Fahrrad mit
dem gesunden Arm, und Julia folgte gekränkt und verwirrt.
    In düsterem Schweigen gingen sie
hintereinander durch die Straßen von Taunton. Sie hatten keine Ahnung, wo sie
überhaupt hingingen. Als es so aussah, als hätten sie die Stadt mit ihren
Geschäften bald hinter sich, hielt Julia an einem kleinen Laden, um ein paar
Dosen Bohneneintopf mit Würstchen und Brot zu kaufen. Sie rief Nathan
hinterher, was sie vorhatte, doch er war so weit voraus, daß er sie nicht
hörte. Sie sah ihn die Straße hinaufstapfen, schon ein bißchen müde inzwischen,
und dachte: Geschieht ihm recht, wenn er denkt, er hätte mich verloren. Mit dem
Arm kommt er nicht weit, zumindest nicht schnell.
    Aber als sie wieder aus dem Laden kam,
war von Nathan keine Spur mehr zu sehen. Julia verstaute die Einkäufe im Korb,
stieg aufs Rad und fuhr los. Nach der mühseligen Schieberei tat es gut, im
Sattel zu sitzen. Sie fand Nathan schließlich am Straßenrand hockend, das Rad
neben sich, ein Bild des Jammers.
    „Ich hab gedacht, du bist weg“,
begrüßte er sie.
    In seinen Augen stand das heulende
Elend, und Julia lenkte ein und vergab ihm, obwohl er sie so mies behandelt
hatte.
    „Ist es dein Arm?“
    „Was denn sonst?“
    Vorsichtig streckte er ihn aus und
betrachtete ihn. Das Handgelenk war dick geschwollen, und oben war ein großer
blauschwarzer Fleck.
    „Du brauchst einen Verband“, stellte
Julia fest.
    „Woher weißt denn du das?“
    Julia zuckte mit den Schultern. Sie
wußte nicht, woher sie es wußte, sie hatte einfach das Gefühl, daß der Arm
verbunden werden müßte.
    „Jedenfalls haben wir keine

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