Auf und davon
vielversprechende Aussicht war einfach zu verlockend, und Julia
öffnete den Mund, um ja zu sagen — da fiel ihr Blick auf Nathan, der immer noch
schmollend im Wald saß. Er sah einsam aus und verlassen — auch wenn er
derjenige war, der davongestürmt war. Julia fragte sich, wie er ohne sie
zurechtkommen sollte. Und dann dachte sie plötzlich, daß das, was sie fast
getan hätte, nicht richtig war. Wenn man mit jemandem davonlief, konnte man ihn
nicht auf halber Strecke im Stich lassen und mit jemand anderem weiterziehen.
„Nein“, sagte Julia.
„Du meinst, nein, du willst nicht mit
mir kommen?“
„Ich muß mit Nathan gehen“, sagte Julia
nur.
„So eine Chance wirst du nie mehr
kriegen. Mit mir zu gehen, ist schon was.“
„Ich weiß“, antwortete Julia, „aber ich
muß mit Nathan gehen.“
„Na gut“, meinte Elizabeth, „vielleicht
hast du recht. Du sagst ja, er ist dein Freund.“
„Es tut mir leid, Elizabeth.“
„Nicht so tragisch. Offensichtlich
sollte es einfach nicht sein.“
„Komm, Nathan“, rief Julia, doch er
antwortete nicht und drehte sich nicht mal um, so daß sie zu ihm gehen und es
noch einmal sagen mußte. „Komm, Nathan, wir gehen.“
„Nur wir zwei?“ fragte er brummig, ohne
aufzusehen.
„Ja.“
„Sicher? Bist du sicher, daß sie sich
nicht immer noch reindrängen will?“
„Sie kommt nicht mit. Ganz ehrlich. Nur
wir zwei.“
„Gut.“
Noch immer nicht ganz überzeugt,
stapfte Nathan zum Lager zurück und beobachtete die beiden Mädchen argwöhnisch.
Elizabeth war den beiden nicht böse, weil sie sie nicht dabei haben wollten.
Sie half ihnen beim Packen. Nathan, immer noch zutiefst mißtrauisch, bedachte
sie mit ein paar bösen Seitenblicken, als sie die Zelte abschlugen, doch das
schien sie nur zu amüsieren.
Bei der Abfahrt schoß Nathan seinen
Abschiedspfeil ab. „Ich hab nur so getan, als würd ich nicht wissen, was der
Böse Blick ist.“
„Ach ja?“
„Ja — in Wirklichkeit mach ich nämlich
oft solche Flüche. Ich hab einen Fluch auf dich gelegt, als du mit Julia
geredet hast.“
„Wie interessant. Und was war das für
ein Fluch?“
„Wenn du irgend jemand was über Julia
und mich erzählst, daß wir hier gezeltet haben und daß wir nach Sedgemoor gehen
und all das, dann —“
„Dann?“
„...wirst du furchtbar krank,
wahrscheinlich stirbst du sogar.“
Elizabeth bekam einen Lachanfall und
winkte ihnen fröhlich nach.
13.
Ein entsetzlicher
Berg
„Ich würd gern wissen, wie es in
Sedgemoor ist“, sagte Julia, als sie am Straßenrand Rast machten.
„Wie es dort ist, spielt keine Rolle,
weil wir nämlich nicht hingehen“, erwiderte Nathan.
„Ich hab gedacht, du willst...“
„Das hab ich doch nur für Elizabeth so
gesagt. Falls sie es irgend jemand erzählt. In Wirklichkeit geh’n wir nach
Exmoor.“
„Aha. Und was ist mit dem steilen Berg?“
„Was soll damit sein?“
„Meinst du, wir kriegen die Räder da
rauf?“
„So schlimm kann es nicht sein. Wir
sind schon viele steile Berge raufgekommen. Dieser Porlock-Berg kann nicht viel
schlimmer sein.“
„Ich würd gern wissen, was Elizabeth
jetzt macht.“
„Solang sie uns nicht verpfeift, ist
mir das egal“, sagte Nathan grimmig.
Julia war sicher, daß Elizabeth sie
nicht verraten würde. Sie mochte zwar eine Angeberin und Besserwisserin sein,
aber eine Petze war sie nicht.
Julia erzählte Nathan nicht, daß
Elizabeth sie gebeten hatte, ihn um ihretwillen im Stich zu lassen. Das war ihr
Geheimnis. Er brauchte es nicht zu erfahren.
Sie kamen an eine Kreuzung. Der
Wegweiser nach Watchet zeigte geradeaus und der nach Minehead nach rechts.
Julia las die Schilder ganz allein und nannte Nathan die Ortsnamen. Er stellte
sich dicht vor die Wegweiser, um nachzuprüfen, ob sie richtig gelesen hatte.
Sie hatte richtig gelesen. „Du machst Fortschritte, Jule“, sagte er überrascht.
Julia staunte ebenfalls. Immerhin hatte
sie nur zwei Tage lang lesen geübt. Ihr kam der Gedanke, daß es vielleicht in
der Hauptsache daran lag zu wollen — und Selbstvertrauen zu haben.
Sie fuhren in gleichmäßigem Tempo Richtung
Minehead. Es war eine große Straße, und obwohl es auch auf und ab ging, war es
doch nicht so bergig wie vorher. Es war herrlich, bei diesem schönen
Sommerwetter dahinzurollen, und Nathan hörte sich plötzlich singen, etwas, das
er, soweit er sich erinnern konnte, noch nie getan hatte. Er sang „We all live
in a Yellow Submarine“, ein
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