Auf und davon
wirklich, Jule, oder? Das ist nur, weil es heute
abend nicht so gut läuft. Morgen ist es wieder besser. Ganz bestimmt!“
„Ja — vielleicht.“
„Komm schon, Jule, mach ein anderes
Gesicht. Komm schon, ja?“
„Ich weiß was“, sagte Julia plötzlich. „Ich
weiß, was wir machen können. Wir könnten uns aus den Steinen einen Unterschlupf
bauen.“ Sie schaute sich um. „Da drüben, da, wo’s runtergeht. Wenn wir dort was
bauen, sehen sie uns nicht, auch wenn sie aus dem Fenster schauen. Ich glaub
wenigstens nicht, daß sie uns sehen können. Sollen wir das machen, Nathan?“
„Okay. Gute Idee, Jule. Du hast gute
Ideen.“
Jetzt, wo es wieder etwas Sinnvolles zu
tun gab, machte das Abenteuer wieder Spaß. Die Müdigkeit war vergessen. In der
einbrechenden Dunkelheit bauten sie sich am Fuß des Abhangs ein Lager aus
Steinen, groß genug für sich und die Fahrräder. Sie deckten ein Zelt darüber
und beschwerten es mit Kieselsteinen, damit es nicht weggeweht wurde. Dann
krochen sie hinein und wickelten sich in ihre Schlafsäcke. Es war hart und
unbequem, doch kaum lagen sie, überkam sie wieder die Müdigkeit.
„Gute Nacht, Nathan“, murmelte Julia.
„Nacht, Jule. Bis morgen.“
„Hm.“
„Morgen ist wieder alles okay.“
„Hm.“
Sie schliefen ein.
Es wurde gerade hell, als Julia und
Nathan aufwachten, und Julia hielt es für das beste, gleich aufzubrechen, bevor
die Leute aus dem Dorf auf den Beinen waren und sie jemand dabei beobachten
konnte, wie sie vom Strand kamen. Zum Frühstück gab es ein paar Kekse, die sie
noch hatten, und den Rest der Limonade.
Die Flut kam tatsächlich den Strand
herauf, so daß sie Gesicht und Hände im Meerwasser waschen konnten. Dann
packten sie zusammen, wuchteten die Fahrräder den Abhang hinauf und fuhren die
Straße zurück, auf der sie am Abend gekommen waren, zurück nach Porlock und zu
dem gefürchteten Porlock-Berg.
Aber an diesem Morgen waren sie voller
Tatendrang und Zuversicht. Die Sonne lugte hinter den Wolken hervor und
verbreitete eine freundliche Wärme, und die Vögel in den Hecken sangen wie die
Weltmeister und spornten sie an. Sie hatten das Gefühl, an diesem Morgen
einfach alles zu schaffen.
„Wir müssen warten, bis die Geschäfte
aufmachen“, sagte Julia, als sie nach Porlock kamen.
„Warum?“ Nathan konnte es kaum noch
erwarten, endlich ins Moor zu kommen.
„Elizabeth hat gesagt, im Moor gibt es
keine Geschäfte.“
„Stimmt, hab ich ganz vergessen. Wir
müssen uns mit Vorräten eindecken.“
„Wir nehmen, soviel wir können. Soviel
die Räder tragen können.“
Sie setzten sich auf den Bürgersteig
und warteten, bis ihre Schatten etwas kürzer wurden und ein paar andere
Frühaufsteher sich auf der Straße zeigten. Niemand beachtete Julia und Nathan.
Es war Sommer, und das hier war Feriengebiet, und fremde Gesichter und Camper
mit Fahrrädern waren nichts Ungewöhnliches.
Sobald das erste Lebensmittelgeschäft
öffnete, erledigten Nathan und Julia ihre Einkäufe. Es war Sonntag, und sie
waren auf dem Land, so daß sie großes Glück hatten, überhaupt einen offenen
Laden zu finden.
Sie kauften Dosenfleisch und
Milchpulver für den Tee, aber in der Hauptsache Brötchen und Chips, weil Julia
sagte, solche Sachen seien leicht auf dem Fahrrad zu transportieren. Leicht
vielleicht, aber immer noch ziemlich sperrig. Sie mußten zusätzlich noch
Plastiktüten an die Lenkstangen hängen und hofften, daß diese beim Fahren nicht
allzusehr gegen ihre Beine schlagen würden.
Es war nicht einfach, mit den
vollbeladenen Rädern zu fahren, selbst auf ebener Strecke.
Den Porlock-Berg hinaufzufahren, war
ganz und gar unmöglich. Sie stiegen ab und schoben. Schon nach hundert Metern
taten ihnen die Arme weh.
Sie kamen an einem rotgesichtigen
Einheimischen vorbei, der am Straßenrand saß und ihnen einen Gruß zurief. „Da
habt ihr aber was vor.“
„Ja“, antwortete Nathan. Zu mehr
reichte sein Atem nicht. „Nehmt besser eure Bremsen, wenn ihr an das steile
Stück kommt.“
Was meinte er mit dem steilen Stück?
War das noch nicht steil genug? Nathan brummte etwas als Antwort auf den guten
Rat und keuchte weiter. Julia gelang ein halbes Lächeln, doch ihr zitterten
schon ein wenig die Knie, und ihr Atem kam in kurzen Stößen.
Es war kaum vorstellbar, aber mit jedem
Schritt schien die Straße vor ihnen noch steiler zu werden. Sie kämpften sich
mit ihren überladenen Rädern Meter um Meter hinauf. Bald zog sie das
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