Auf verlorenem Posten
von den Verletzten und Sterbenden ihrer Crew Schluchzen, Stöhnen und gurgelnde Schreie, aber sie hörte auch, wie Schießscharten aufgerissen wurden und das hohe, schrille Heulen des ersten abgefeuerten Pulsergewehrs. Sie war während des wilden, rasenden Schlitterns trotz des Prallschutzes mit dem Kopf gegen irgend etwas Hartes gestoßen, und Blut war ihr ins linke Auge gelaufen und hatte es geblendet. Aber mit dem rechten konnte sie noch sehen. Die Energieanzeige am Zwillingsgeschütz des Turms leuchtete, und der Schwenkmechanismus summte gleichmäßig, als sie aufs Pedal trat.
Sie schwenkte beim Feuern den Turm hin und her und bestrich die unglaubliche Flutwelle aus Leibern, die auf sie zuwogte, von links nach rechts und zurück. Sie tötete Medusianer zu Dutzenden, nein, zu Hunderten, und immer noch kamen sie näher. Der Turm sperrte, als noch mehr Kugeln in den Gleiter einschlugen. Einige davon kamen von hinten. Herumwirbelnde Plastiksplitter von der Innenseite der dicken Turmkuppel zerschnitten ihr das Gesicht, Malcolm aber umklammerte noch immer die Griffe und feuerte in den heulenden Mob.
Sie feuerte noch, als Keulen und Gewehrkolben den Turm zerschmetterten. Dutzende Medusianerhände zerrten sie aus dem Gleiterwrack.
Die Messer warteten schon.
Das Comterminal auf Honors Schreibtisch summte. Sie eilte aus der Duschkabine, während sie noch ihr kurzes Haar frottierte. Dann zog sie den Kimono über die feuchte Haut und nahm das Gespräch entgegen.
»Captain?« Das war Webster. Honors Nerven vibrierten, als sie die Unruhe in seiner Stimme wahrnahm. »Dringende Nachricht von Lieutenant Stromboli, Ma’am.«
»Stellen Sie durch.«
»Aye, Ma’am.« Webster verschwand vom Bildschirm; Max Strombolis besorgtes Gesicht erschien statt dessen.
»Was gibt es, Lieutenant?« Honor senkte die Stimmlage absichtlich und sprach langsamer als normal, und der Lieutenant schluckte.
»Ma’am, ich dachte, Sie sollen wissen … wir haben vor etwa fünfzehn Minuten Funkverkehr von einem NPA-Gleiter aufgefangen. Sie meldeten, daß sie von Staksern unter Feuer genommen wurden und abzustürzen drohten. Dann brach der Kontakt ab. Die Luftraumüberwachung versucht immer noch, den Kontakt wiederherzustellen, aber niemand meldet sich.«
»War das Major Isvarians Patrouille?« Trotz aller Selbstkontrolle klang Honors Stimme plötzlich wieder schärfer.
»Jawohl, Ma’am, ich glaube schon. Und …« Stromboli brach ab und schaute einige Sekunden lang jemanden an, der ihn von außerhalb des Bildschirms angesprochen hatte, dann wandte er sich wieder Honor zu. »Ma’am, ich weiß nicht, ob eine Verbindung besteht – ich weiß auch nicht, wie das möglich sein soll –, aber dieser havenitische Frachter, die Sirius , verläßt gerade ohne Freigabe die Umlaufbahn.«
Wie er seine Kommandantin vom Combildschirm aus anblickte, schien Stromboli über diese letzte Tatsache mehr verwirrt als besorgt, doch Honor verspürte eine Gänsehaut. Das gleiche Kribbeln, das sie spürte, wenn sie die Lösung einer taktischen Aufgabe fand, erfüllte sie nun, da sie alle Puzzleteile gleichzeitig und intuitiv richtig zusammensetzte. Das konnte doch nicht sein! Allein die Vorstellung war absurd! Dennoch war dies die einzige Antwort, die wenigstens im Ansatz zu allen bekannten Daten paßte.
Stromboli zuckte vom Bildschirm zurück, als er sah, wie ihre Augen sich verhärteten. Sie bemerkte seine Reaktion und rang sich ein Lächeln ab.
»Vielen Dank, Lieutenant. Gut gemacht. Ich übernehme von hier an.«
Sie trennte die Verbindung und klappte ein durchsichtiges Plastiklid an der Seite des Terminals hoch. Nur das Terminal in der Kommandantenkajüte besaß dieses Lid. Honor preßte den Daumen auf den großen, roten Knopf, den es abgedeckt hatte.
Der wehklagende Schrei des Gefechtsalarms heulte durch den Rumpf der Fearless . Besatzungsmitglieder rollten sich von ihren Kojen, ließen Kaffeetassen fallen, sprangen von Messetischen auf, warfen Spielkarten und Buchlesegeräte hin und rannten zu ihren Gefechtsstationen. Der schrille, elektrisierende Laut war brutal und darauf ausgelegt, einem in die Glieder zu fahren und dort zu vibrieren, und nur ein Toter hätte ihn ignorieren können.
Honor ließ den Alarm schrillen und rief über Intercom die Brücke. Panowski war wachhabender Offizier, und seine schreckerfüllten Augen weiteten sich, als er sie erkannte.
»Fahren Sie den Antrieb hoch –, und zwar jetzt , Lieutenant!« fuhr sie ihn an.
»Aye, aye,
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