Auf vier Pfoten nach Santiago: Mit dem Hund auf dem Jakobsweg (German Edition)
paradiesische Zustände. Unser Pilgerführer hat uns nicht zuviel versprochen. Ein Anwesen wie im Märchen!
Wir werden von Enten, Pfauen, Hunden, Hühnern, Gänsen, Schildkröten im Teich, Tauben und einem Pony begrüßt. Manche Pfauen sitzen über fünf Meter hoch in den Bäumen. Mein Blick wandert erst einmal umher. Die Leute, die uns empfangen, sind total nett und freundlich.
Auf dem kurzen Rundgang über das Gelände sehen wir einen riesigen Garten mit Baumallee, einen zum Haus gehörenden Fluss mit kleinen Booten und mit Fischen drin, eine Terrasse mit hauseigenem Bierzapfhahn, einfach super! Auch das Gebäude selbst entpuppt sich als wahres Schmuckstück. Innen sichtbare Steinwände, eine große Holztreppe, bis oben hin alles offen und eine schwere, alte Holzbalkendecke rundet das Ganze ab.
Wir beziehen ein herrliches Zimmer und sind rundum glücklich. Ich schaue aus dem Fenster und genieße den Blick, als unter mir ein Huhn, gepeinigt von einem Hahn, in den Bach fällt, der unter dem Haus durchfließt. Es kommt von alleine nicht mehr heraus. Mist, denke ich und will schon runterrennen, als ich einen Mann entdecke, den ich rufe. Auch er hat das arme Huhn schon entdeckt und rettet es an einem Flügel aus dem Bach. Dabei rutscht dem Herrn seine Brille aus seiner Hemdentasche, die augenblicklich versinkt. „So ein Pech, aber Hauptsache dem Huhn geht’s gut“, ruft er – und wir lachen.
Rainer ist während der ganzen Aktionen in der Dusche und kriegt davon gar nichts mit. Schnell dusche ich ebenfalls und wir gehen nach unten auf die Terrasse, wo vier Pilgermänner aus dem Badischen sitzen, der „Hühnerretter“ ist auch dabei. Sie pilgern jedes Jahr zehn Tage zusammen und schlafen auch nur in Pensionen, nicht in Herbergen.
Es gibt also noch mehr „Luxuspilger“, so wie wir. Wobei wir ja nur wegen Bobby oft auf Pensionen ausweichen müssen, was uns gerade heute sehr angenehm ist. Die Herren sind sehr nett und lustig, wir unterhalten uns gut und lachen viel. Außerdem sind noch fünf spanische, ältere Damen hier und ein Ehepaar aus der Schweiz. Maria, eine ganz nette Frau, ist die Schwägerin der Dame, die uns abgeholt hat. Ich frage sie, ob ich hier ein paar Sachen waschen könnte. „Selbstverständlich, ich solle die Sachen nachher in die Küche bringen“. Als ich dort eintreffe,nachdem ich mich in dem riesen Haus ein paarmal verlaufen hatte, duftet es schon oberlecker. Maria bereitet gerade das Abendessen zu. Sie hilft hier in den Hauptmonaten ihrem Bruder und der Schwägerin bei den Arbeiten in und ums Haus. Ich werfe unsere Sachen in die Waschmaschine und bedanke mich schon mal bei ihr.
Zu Hause schmieden wir mit unseren befreundeten Ehepaaren immer wieder lustige Pläne über das Älterwerden. Wir wollen einmal zusammen eine Alterswohngemeinschaft gründen, brauchen dafür aber natürlich ein geeignetes Grundstück mit passendem Haus. Jeder kann sich dann um die Dinge kümmern, die er gerne macht und die er am Besten kann.
„Das hier wäre doch ideal für unsere Alters-WG“, sage ich zu Rainer, als ich wieder bei ihm im Garten bin. „Absolut“, gibt er mir zur Antwort, „da könnten wir Männer im Garten faulenzen und im Fluss fischen, während ihr Frauen kocht, Gemüse anpflanzt und das Haus sauber haltet.“
„Ach so wäre das, aber genügend Platz hätten wir ja auch im Falle, dass wir uns ab und zu aus dem Weg gehen müssten“, füge ich lachend hinzu. Prompt schreibe ich eine SMS an meine Freundinnen, dass wir hier etwas tolles gefunden hätten. Allerdings ist es doch weit von zu Hause weg. Als wir dann daheim allen die Fotos des Anwesens gezeigt haben, waren alle total begeistert und meinten scherzend, das sollten wir unbedingt im Auge behalten.
Beim Abendessen sitzen wir mit den Männern aus Baden und dem Schweizer Ehepaar am Tisch. Der 56-jährige Schweizer erzählt, dass er seinen Job an den Nagel gehängt hat, er hatte einen Burnout. Er nimmt sich jetzt ein halbes Jahr Auszeit und lässt reifen, was es sonst noch gibt für ihn. Das ständige Hamsterrad im Job kann doch nicht alles gewesen sein. Seine Partnerin tat es ihm gleich, kündigte ebenfalls und begleitet ihn. Sie machen einen sehr entspannten und glücklichen Eindruck. Irgendwie geht es immer weiter, meint er, so wie hier auf dem Jakobsweg. Tagfür Tag geht irgendwo eine Türe auf. Man muss Vertrauen haben in Gott, in sich selbst, und in seine Mitmenschen. Wie recht er hat, man muss nicht immer alles bis ins Detail
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