Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
Ereignisse des Tages nach, dachte daran, wie begeistert sie zugestimmt hatte, ihn zu heiraten …
Wie heftig sie ihn zurückgewiesen hatte, als sie sich in ihm getäuscht sah.
Sie schmiegte sich an ihn, seufzte im Schlaf, und der unschuldige Laut ließ ihn seine Schuld noch stärker fühlen. Diese Frau hatte ihm vertraut, hatte seinen Versprechen geglaubt, und er hatte sie dieser Gewissheit mit einem Schlag beraubt. Auch wenn ihr Körper ihm unmissverständlich sein Vertrauen ausgesprochen hatte, würde es noch eine Weile dauern, bis er auch ihr Herz wieder gewonnen und alle Zweifel besiegt hätte.
Doch er würde nicht aufgeben, bis auch das geschafft war.
Er liebte sie.
Und in diesem Augenblick, als er sich seine Gefühle das zweite Mal so deutlich eingestand, traf ihn erst die volle Wucht dieser Erkenntnis.
Der Schrecken hätte nicht größer sein können.
„Isabel! Isabel, wach auf!“
Isabel setzte sich kerzengerade im Bett auf, als es laut an die Tür hämmerte. Im ersten Moment wusste sie kaum, wo sie war.
Als die Erinnerungen an letzte Nacht zurückkehrten, schrie sie erschrocken auf, hielt sich rasch die Hand vor den Mund und sah sich panisch nach Nick um.
Er war fort, ebenso alle Anzeichen dafür, dass er jemals hier gewesen war. Auch ihre Kleider, die sie so gedankenlos verstreut hatten, hatte er aufgehoben und ordentlich über den Stuhl am Kamin gehängt. Die Umsicht, mit der er alle Spuren beseitigt hatte, erfüllte Isabel mit Dankbarkeit – und enttäuschte sie zugleich. Dankbarkeit, weil er so löblich versuchte, ihre Reputation vor den anderen Bewohnern von Townsend Park zu wahren; enttäuscht, dass er sich einfach so aus ihrem Zimmer gestohlen hatte, als wäre nichts gewesen.
Als hätte er so etwas schon unzählige Male getan.
Sie schalt sich töricht. Was hatte es sie zu kümmern? Von ihr aus konnte er so etwas schon hundertmal gemacht haben. Das ging sie überhaupt nichts an.
Wenngleich hundertmal dann doch ein wenig zu viel des Guten schien.
Das Klopfen begann erneut und riss sie – ein Glück – aus ihren Gedanken.
„Isabel!“
„Herein!“, rief sie.
Lara kam hereingestürmt, völlig außer Atem und zerzaust. „Los, du musst dich sofort anziehen!“
Seufzend warf Isabel die Bettdecke zurück und stand auf. „Ich weiß, dass ich verschlafen habe, aber so spät kann es wohl kaum sein, oder?“
Lara war wie angewurzelt stehen geblieben. Mit großen Augen folgte sie Isabels Bewegungen.
Als keine Antwort kam, drehte Isabel sich um. „Was ist?“
„Warum hast du nichts an?“
Isabel sah an sich hinab, bedeckte sich sofort an den entscheidenden Stellen, darum bemüht, nicht rot zu werden und so zu tun, als ob nichts sei. Vergebens. „Ich …“ Sie hielt inne, ärgerte sich, dass ihr keine vernünftige Antwort einfallen wollte. „Mir war warm“, sagte sie schließlich, schnappte sich das erstbeste Kleid aus dem Schrank und verschwand hinter dem Wandschirm, um weiterer Verlegenheit aus dem Weg zu gehen.
„Dir war warm“, wiederholte ihre Cousine.
„Ganz genau, Lara. Wir haben fast Juli.“
„Dir war warm – in Yorkshire, mitten in der Nacht.“
„So ist es“, sagte Isabel und hoffte für Lara, dass sie endlich Ruhe gab. Sie spähte um den Wandschirm herum und sah, wie ihre Cousine ihren Blick langsam durchs Zimmer schweifen ließ. „Lara“, lenkte sie die Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Wolltest du etwas mit mir besprechen? Gewiss hat es seinen Grund, dass du wie eine Verrückte an meine Tür hämmerst.“
„Aber ja!“, rief Lara.
Isabel trat hinter dem Schirm hervor und gürtete sich ein nachtblaues Trauerkleid. „Was gibt es?“
Lara schürzte die Lippen. „Es wird dir nicht gefallen.“
Isabel hielt inne. War es möglich, dass Nick sich einfach davongemacht hatte? Zwar hatte er gestern gesagt, dass er heute abreisen wollte, aber das war gewesen, ehe … nun ja, ehe alles sich geändert hatte. „Was ist?“, fragte sie ungeduldig.
„Wir haben Besuch.“
Eine dunkle Vorahnung befiel sie.
Alles würde sich ändern.
„Wer ist es?“
Lara verschränkte die Hände und wollte nicht so recht damit herausrücken.
Densmore . Der von ihrem Vater bestimmte Vormund war gekommen. Das Haus, die Mädchen, James – alles lag nun in seinen Händen.
Nick würde abreisen . Nichts hielte ihn nun noch länger. Um die Sammlung brauchte er sich nicht mehr zu kümmern. Und auch um sonst nichts.
Nur dass sie ihn auf einmal brauchte.
Ihr wurde ganz
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